Chance für ein Superdigitalonlinegericht? Bayern gründet das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) neu

von Tom Braegelmann

Wann werden in Deutschland schon eimal Gerichte neugegründet? Bayern will nun ein neues Oberstes Landesgericht errichten. Das geht gemäß §§ 8-10 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Grundsätzlich kann das danach jedes Bundesland tun, in welchem es mehrere Oberlandesgerichte gibt. Ein solches Gericht ist dann in manchen zivilrechtlichen Sachen anstelle des Bundesgerichtshofs zuständig, ebenso können ihm manche Zuständigkeiten der Oberlandesgerichte übertragen werden. Bis 2006 gab es das BayObLG schon einmal, andere Bundesländer haben und hatten nichts Vergleichbares.

Mehr Rechtssicherheit, in neuer, moderner Form

Nach Auskunft des bayerischen Justizministers Winfried Bausback soll dies “noch mehr Rechtssicherheit” bringen und man will das Gericht “in neuer, moderner Form errichten”. Ich hoffe, das ist ernst gemeint.

Dies ist nun die Chance, zu zeigen, wie man ein modernes digitales Gericht in Deutschland baut und betreibt, im föderalistischen Gefüge unter dem GG und im EU-Kontext, jenseits aller ermüdenden Debatten über nicht so besondere elektronische Anwaltspostfächer, schwerfällige eAkten, Riesendrucker an Amtsgerichten und dergleichen. So frage ich mich:

  • Soll das BayObLG wieder nur ein Papiergericht sein, diesmal in digitalisierter Form?
  • Oder macht Bayern ernst und nutzt die Chance, eine neue digitale Plattform zu bauen, welche, in Ergänzung zu den Möglichkeiten nach den §§ 8-10 GVG weitere digitale Rechtsstaats-Angebote macht?
    • Schlagwort: Court as a service (CaaS), not as place.
  • Könnte dies eine Plattform für bayernweite staatlich unterstützte Online-Streitbeilegung (online dispute resolution, ODR) werden?
  • Wird eine Infrastruktur für Gerichtsverhandlungen nur per Videokonferenz geschaffen, Eingabemasken für strukturierte elektronische Schriftsätze? Ist das alles Wunschdenken oder eine rechtsstaatliche Dystopie (je nach rechtspolitischer Auffassung)?

Court as a service (CaaS), not as place?

In any event: Man sollte ernsthaft, wenn man schon daran geht, ein Gericht neu zu gründen und zu bauen, dieses dann doch bitte nicht nur als aufgepumptes Super-OLG mit partiellen BGH-Kompetenzen schaffen, wo dann aber intern wieder alles genau in den gleichen altehrwürdigen Abläufen des deutschen Justizwesens vonstatten geht (es sei denn, das ist am Besten, das will ich niemals vorab kategorisch ausschliessen, es kann ja sein).

Bayern hat die Chance, ein neues Gericht zu schaffen, welches digital und online wirklich zugänglich ist (mit dem elektronischen Personalausweis beispielsweise, zusammen mit der Ausweis-App!), soweit wie  möglich als Plattform und nicht nur als Ort funktioniert – und dennoch das Recht und die Rechte alle Menschen wahrt, ganz gleich, wo sie herkommen und ob sie mit moderner Technik umgehen können oder nicht. Too much to ask?

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