Die fünf Schlüssel zum Transformationserfolg für Kanzleien – Teil 1

von Daniel Biene & Uwe Schuricht *

Weltweit ist die digitale Innovation des Rechtsmarktes in aller Munde. Nahezu täglich finden Konferenzen statt. Es wird viel publiziert. Mehrere Dutzend Vereinigungen, Initiativen und Institute haben sich formiert. Die Zahl der Startups, die neue Lösungen für den Rechtsmarkt anbieten, ist unüberschaubar geworden. Nahezu alle Kanzleien und Rechtsabteilungen befassen sich aktiv mit dem Thema. Es besteht inzwischen Konsens, dass die Digitalisierung ganz erhebliche Auswirkungen auf den Beruf des Rechtsanwalts haben wird.

Trotz alledem sind im deutschen Markt bisher keine wirtschaftlich messbaren Ergebnisse der Diskussion entstanden. Der akademische Diskurs hat seinen Weg in die Praxis noch nicht gefunden. Das gilt insbesondere für Kanzleien.

Rechtsabteilungen betreiben bereits Projekte, die durch optimierte Prozesse und digitale Lösungen erhebliche wirtschaftliche Effekte erzielen. Die Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen hiesiger Kanzleien sind jedoch ebenso unverändert geblieben wie deren Produktionsprozesse, während vor allem in Nordamerika und Großbritannien das Thema bereits seit Jahren deutlich weiter entwickelt ist.

Wie kann Innovation auch in deutschen Kanzleien und den deutschen Büros internationaler Kanzleien konkret vorangebracht werden?

Basierend auf unserer langjährigen Arbeit in Digitalisierungsprojekten haben wir die fünf entscheidenden Schlüssel für die erfolgreiche Positionierung von Kanzleien in der digitalen Transformation zusammengestellt.

#1 – “Can Do” statt Skepsis in den Vordergrund stellen

Wissenschaftliche Studien haben auf Grundlage psychologischer Analysen festgestellt, dass Anwälte eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich skeptischere Grundhaltung haben. Dieses Persönlichkeitsmerkmal umfasst Eigenschaften wie Misstrauen, Ablehnung, Zynismus und Debattierfreude. Skepsis ist vor allem bei Anwälten in größeren Kanzleien das am häufigsten und prominentesten vertretene Persönlichkeitsmerkmal. Bereits im Jahre 2002 hat Larry Richard in einer repräsentativen Studie mit mehr als 1.000 Anwälten festgestellt, dass Skepsis als wesentliches Persönlichkeitsmerkmal im Vergleich zum Median der Durchschnittsbevölkerung (50%) bei Anwälten im Bereich von über 90% anzutreffen ist. Diese Skepsis ist ein Innovationskiller.

Grundvoraussetzung von Innovation ist, Herausforderungen anzunehmen und Veränderungen aktiv und mit einer positiven Grundhaltung zu gestalten. Herausforderungen müssen als Chance erkannt und “umarmt” werden. Es darf nicht nur über deren Nachteile diskutiert werden, sondern es muss vorwärtsgewandt über ihre Realisierbarkeit und über die daraus erwachsenden Chancen gesprochen und Ideen zügig in die Tat umgesetzt werden.

Kurz gesagt: Erfolgreiche Innovationsarbeit erfordert das exakte Gegenteil des mit Abstand am häufigsten vorkommenden Persönlichkeitsmerkmals von Rechtsanwälten.

Die Persönlichkeit eines Menschen kann nicht wesentlich verändert werden. Wir haben allerdings festgestellt, dass positive Erlebnisse und ein Eintauchen in ein engagiertes lösungsorientiertes Umfeld auch aus “harten Nüssen” sehr schnell Unterstützer eines konstruktiven Innovationsklimas machen. In der Digitalindustrie gibt es seit Jahren nachhaltig bewährte Methodiken (z.B. Design Thinking, Agile Prototyping, Lean MVP, Scrum/Kanban etc.), mit denen die digitale Transformation

anderer Branchen erfolgreich gemeistert wird.

Wir haben in mehreren Projekten erlebt, dass auch Rechtsanwälte Innovation treiben können. Lernen Anwälte die Methodiken der digitalen Welt kennen und verstehen — sei es zunächst widerwillig und für nur wenige Tage –, springt auch bei den größten Skeptikern in aller Regel der Funke über.

Schlüssel #1: Ergänzen Sie Ihre Skepsis um eine “Can Do Attitude” im Hinblick auf Ihre Arbeitsprozesse und digitale Technologien. Seien Sie sich bewusst, dass Skepsis zur Vermeidung von Risiken zwar wichtig ist, das mit Abstand größte Risiko aber im unternehmerischen Misserfolg durch Zögerlichkeit liegt.

— Dieser Beitrag erscheint in insgesamt fünf Teilen. Die Teile zwei bis fünf erscheinen in den kommenden Wochen ebenfalls im Legal Tech Blog. —


* Dr. Daniel Biene und Dr. Uwe Schuricht sind Partner der Change Group in Berlin (www.change-group.net).