Blockchain – Chancen, Recht und Regulierung (Teil 1)

von RA Dr. Andreas Neumann

Im Erbdrostenhof zu Münster fand am 7. November 2017 die Tagung der RWTÜV-Stiftung und des Instituts für Informations- Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu Chancen, Recht und Regulierung der Blockchain statt. Dabei inspirierten sich Techniker und Juristen gegenseitig. Die Vorträge wurden rege diskutiert.

Nach Begrüßung und Grußwort (durch Karl Friedrich Jakob, Vorstandsvorsitzendem der RWTÜV-Stiftung und Michael Quante, Prorektor der Universität Münster) sprach Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsdirektor am Fraunhofer Institut und Lehrstuhlinhaber an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, zu den technischen Grundlagen der Blockchain und Smart Contracts. Er beschrieb präzise die Technologie der Blockchain sowie ihre Anwendungen.

Während bei analogen Medien die Inhalte zentralisiert erstellt wurden (Beispiel Brockhaus), funktioniert die Inhaltserstellung beim Internet of Information, der ersten Phase des Internets, dezentral und im Wege der Konsensbildung in der Community. Die zweite Phase des Internets ist das Internet of Services, das Internet der Dienste. Es folgte sodann durch das Internet of Things die Verknüpfung von Alltagsgegenständen mit dem Internet, die dritte Phase. Hierzu gehören auch die Chatbots.

Bei den drei vorgenannten Phasen garantierten Institutionen für die Sicherheit von Transaktionen. Dies ist nun in der vierten Phase des Internets gerade nicht mehr erforderlich. Denn anstelle der Institutionen sichern nunmehr die Algorithmen Kontrolle und Vertrauen im Internet of Values. Blockchain stellt die Basis für diese vierte Phase des Internets, des Internets der Werte dar.

Dabei wird eine Transaktion initiiert, an das Netzwerk übergeben, geprüft und validiert, verschlüsselt und integriert durch die Blockchain und abgeschlossen. Dabei spielt die Kryptographie eine zentrale Rolle. Es werden Hashwerte so erzeugt, dass eine Wiederherstellung der Eingabewerte – zumindest derzeit – nicht möglich ist. Die Blöcke werden über die Integrierung des Hashwerts des jeweils vorangegangenen Blocks miteinander verkettet, daher der Begriff Blockchain. Drittes Grundprinzip ist das des verteilten Kontenbuchs (distributed ledger), das die verteilte, nachvollziehbare und irreversible Speicherung aller Transaktionen beinhaltet.

Smart Contracts versteht der Referent als weltweit verteiltes Computing Ecosystem. Der Programmcode wird als ausführbares Skript innerhalb der Blockchain ausgeführt. Diese wird Basis für Lösungen des Internets of Things und der Sharing Economy. Risiken sind die komplexe Verwaltung und unkontrollierbare und irreversible autonome Aktivitäten auch der Geräte untereinander. Die Chance besteht aber in einem möglichen Verzicht auf Intermediäre, also Geschäftstypen wie Airbnb und Uber.

Die Bitcoin ist nur eine von vielen möglichen Anwendungen der Blockchain-Technologie. Der Konsens wird dabei über den proof of work – im Gegensatz zum proof of stake und zum lottery protocol – gebildet. Vertrauen ist dabei nicht mit Wahrheit zu verwechseln, da im Prinzip in die Blockchain auch Unwahres hineingeschrieben werden könne. Der Mehrwert der Blockchain ist ihre Unveränderlichkeit.

Es folgte der Vortrag von Nikolas Guggenberger, RWTÜV-Juniorprofessor am ITM, zu den rechtlichen Grundlagen der Blockchain und Smart Contracts. Der Referent zeigte Ursprung und Grundlage des Vertrauens auf. Vertrauen basiert auf Beweisen, Reputation, Erfahrung, Technologie, aber auch auf Intermediären und Institutionen. Die Blockchain erwirbt Vertrauen nur „on chain“ rein faktisch, nicht rechtlich, nur in Bezug auf das Können, nicht des Dürfens. Sie sichert Validität, nicht Wahrheit, zeigt die Form und nicht den Inhalt, belegt Transaktionen, nicht Identitäten. Ein public ledger genieße keinen öffentlichen Glauben, so dass die Blockchain eine Beweiswürdigung im Prozess nicht ersetzt. Ob die Eigentumsvermutung für den Besitzer gem. § 1006 BGB anwendbar ist, kann daher bezweifelt werden.

Der Smart Contract wird definiert als „computerized transaction protocol that executes the terms of a contract“. Es gehe um die Direkttransaktion und die technische Garantie der Ausführung durch die Blockchain. Somit ist der Begriff Smart Contract eigentlich irreführend. Der Referent erinnerte an die gescheiterte Decentralized Autonomous Organization (DAO). Deren Grundlage, only the code is the contract, hatte keine Chance. Code ist Sprache, Dokument, Vertragsgegenstand und Vertragsdurchsetzung, aber eben nicht unbedingt Vertrag. Allein die Automatisierung des Vollzugs macht noch keinen Vertrag aus. Es komme auf eine Gesamtwürdigung an.

Es wurde somit klar, dass Smart Contracts nur so klug sind wie ihre Programmierer und keine Verträge im eigentlichen Sinne. Sie könnten aber die Transaktionskosten und das Gegenparteirisiko reduzieren. Problematisiert wurden vom Referenten noch die nötigen Schnittstellen (oracles) für Wertentscheidungen und die „unknown unknowns“ (Rumsfeld). Wertentscheidungen und ein Gerichtsprozess sind nicht einprogrammierbar.

Nach der ersten Pause sprach sodann Carsten Schuck von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster über das Thema: „Blockchain und Quantencomputer – Wie sicher ist die Blockchain-Technologie?“

Quantencomputer kennen nicht nur die eindeutigen Schaltungen 0 und 1, sondern auch einen ambivalenten Zustand, eine Überlappung beider Zustände. Der Quantencomputer kann sowohl den Grover’s algorithm (bewiesen) als auch den Shor’s algorithm (unbewiesen) implementieren und ist dadurch herkömmlichen Computern möglicherweise überlegen.

Ein Quantum-Miner könne schneller rechnen und daher die Blockchain schneller überschreiben. Eine Entschlüsselung der Blockchain durch Quantencomputer ist daher durchaus denkbar, wenngleich binnen der nächsten zehn Jahre nicht wahrscheinlich.

Die Frage dürfte letztlich sein, ob die Quantencomputer auf der anderen Seite zu einem noch höheren Grad an Verschlüsselung führen, sodass sich die Effekte des technischen Fortschritts gegenseitig wieder aufheben würden.

„Blockchain-Technologie im Gesellschaftsrecht“ war sodann das Thema des Vortrags von Boris P. Paal. Der Dekan der Rechtswissenschaftlichen  Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg referierte über die Möglichkeiten der Abbildung von Anteilsübertragungen und Gesellschaftsregister durch die Blockchain-Technologie. Ein wichtiger Schlüsselbegriff, den der Referent benutzte, lautet Disintermediation. Durch die Blockchain könnten die Intermediäre und zentralen Prüfungsstellen wie Banken, Notare und Register wie das Grundbuch ersetzt werden. Publizität könne durch Technik geschaffen werden. Eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen könne grenzüberschreitend in Blockchain abgebildet werden. Dies setzt die Modifikation der gesetzlichen Rahmenbedingungen voraus und „digitale Gesellschaftsanteile“, sowie neue Haftungsregeln, z.B. Roboter mit beschränkter Haftung. Ob die Transaktionskosten aber wirklich gesenkt werden könnten, sei fraglich.