Hamburg Legal Tech Meetup / Young Geex in a Hoodie

Am 9. August 2018 fand das fünfte Hamburg Legal Tech Meetup bei Hogan Lovells mit zirka 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus verschiedenen Kanzleien, Unternehmen und Universitäten zum Thema Young Geex in a Hoodie statt.

Einführung

Nach einer herzlichen Begrüßung durch Yvonne Draheim, Partnerin bei Hogan Lovells im Bereich IPMT in Hamburg, hat wie gewohnt Nico Kuhlmann durch den Abend geführt. Zu Beginn legte er den Hashtag des Abends für Twitter fest (#hltm5), fasste die Themen des ersten, zweiten, dritten und vierten Meetups kurz zusammen und gab einen Rückblick über die Ereignisse der letzten Monate in der Legal Tech-Szene in Deutschland und in der Welt.

Dabei ging er unter anderem auf die Gründung des studentischen Legal Tech Labs an der Universität in Frankfurt und von MLTech, der Munich Legal Tech Student Association, an der Ludwigs-Maximilian-Universität in München sowie der Etablierung eines Hamburger Chapters der Legal Hackers ein. Die Legal Hackers sind ein weltweiter Verbund von über 50 lokalen Gruppen, die Meetups, Workshops und Hackathons organisieren. Zudem berichtete er von dem neu gegründeten Legal Innovation Hub ReInvent in Frankfurt, von den Legal Transformation Days in Berlin und von der Future Law Conference an der Stanford Law School in Kalifornien, USA. In Bezug auf die Startup-Welt berichtete er von der Gründung des deutschen Unternehmens BRYTER, einer Plattform zur Automatisierung von Expertenwissen, die keine Programmierkenntnisse voraussetzt, sowie der Finanzierungsrunde des Unternehmens Legalzoom in den USA, die 500 Millionen US-Dollar eingebracht hat.

Diskussion: Young Geex in a Hoodie

Anschließend wurde angeregt diskutiert. Dieses Mal sollte bewusst die Bühne für die nächste Generation bereitet werden, um zu hören, wie diese die digitale Transformation wahrnehmen und welche Punkte ihnen wichtig sind. Die Diskutierenden waren Dalia Moniat, Daniella Domokos und Paul Schirmer.

Dalia Moniat ist Studentin der Rechtswissenschaft an der Universität in Hamburg mit dem Schwerpunkt Information und Kommunikation. Sie ist seit zwei Jahren bei der Cyber Law Clinic aktiv und hat unter anderem die interaktive Veranstaltungsreihe “Legal Tech Visions Days” und ein Legal Tech-Seminar an der Universität initiiert. Zudem ist sie Gründungsmitglied des Legal Hackers Chapter für Hamburg.


Daniella Domokos studiert Rechtswissenschaft an der Universität in Würzburg und betreibt unter www.allaboutlegaltech.de einen Blog, um das technische Grundverständnis von Juristen sowie den Austausch zwischen Ingenieuren und Rechtswissenschaftlern zu fördern. Darüber hinaus koordiniert sie die Teilnehmergruppen beim Swiss Legal Tech Hackathon in Zürich und viele werden sie vermutlich auch von Twitter kennen.


Paul Schirmer ist Student der Rechtswissenschaft in München und Mitbegründer der MLTech, der Munich Legal Tech Student Association. Die MLTech hat unter anderem die MLTech Speaker Series ins Leben gerufen, die hochkarätige Referentinnen und Referenten aus der Praxis an die Universität holt.

Paul berichtete zuerst, dass langsam aber sicher auch bei den Jura-Studierenden die Themen Digitalisierung des Rechtsmarktes, Legal Tech und Künstliche Intelligenz ankommen. Diese Themen führten bei vielen Studierenden zu Verunsicherungen und die Meinungen, was die Digitalisierung für Juristen bedeutet, gehen seiner Meinung nach weit auseinander. Von “Das geht uns doch nichts an, schließlich machen wir Jura. Da kann man doch nichts digitalisieren.” bis zu “Oh Gott, in spätestens 10 Jahren werden wir sowieso alle arbeitslos sein. Warum tue ich mir das Studium und das Examen überhaupt noch an” sei alles dabei. Wie so häufig läge, so Paul, die Wahrheit aber in der Mitte. Die Digitalisierung werde die juristische Arbeit seiner Ansicht nach verändern, aber auf absehbare Zeit nicht dazu führen, dass Juristen obsolet würden. Daher sei es für die nachfolgende Generation an Juristen wichtig, die Veränderungen technisch auf einer hohen abstrakten Ebene zu verstehen. Seiner Meinung nach sind die Universitäten und die Ausbildungsstellen des Referendariats dazu aufgerufen, die neuen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der neuen Technologien aufzuzeigen. Dadurch würden Ängste abgebaut und falschen Erwartungen und Vorstellungen begegnet werden.

Nach Paul’s Einschätzung bereite die deutsche juristische Ausbildung schon heute besser auf die Digitalisierung vor, als man meinen mag: Auch wenn Deutschland bei Fragen der Digitalisierung oft als Schlusslicht im Vergleich zu anderen Industrienationen gelte, so sei doch die klassische juristische Ausbildung in Deutschland gut dafür geeignet, Juristen hervorzubringen, die mit den sich ständig wandelnden Anforderungen der Digitalisierung klarkommen. Bei sich im Umbruch befindlichen Themen sei ein breites Strukturverständnis und ein gutes juristisches Handwerkszeug die beste Möglichkeit, um sich für die bevorstehenden Veränderungen zu wappnen. Gerade hier habe die deutsche Juristenausbildung einen klaren Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu vielen juristischen Ausbildungsstrukturen anderer Jurisdiktionen. Paul’s Erfahrungen nach sei, gerade bei den staatlichen Examensprüfungen, spezielles Einzelfallwissen weniger relevant und die juristische Methodik und Strukturverständnis stünden im Vordergrund. Im Ergebnis gibt es, aus der Sicht von Paul, für die neue Generation keinen Grund zur Panik. Wichtig sei aber, das hohe Niveau der juristischen Ausbildung beizubehalten.

Anschließend erläuterte Daniella Domokos ihre Ansichten bezüglich der Notwendigkeit von Profilbildung. Das Jurastudium sollte ihrer Ansicht nach mehr die Möglichkeit bieten, sich frei entfalten und seinen Horizont erweitern zu können. Es sei ihrer Meinung nach wichtig, als Nachwuchsjurist sowohl zeitlich aber auch emotional in der Lage zu sein, den eigenen Hobbys nachzugehen und neue Interessen entdecken zu können, ohne dabei „ein schlechtes Gewissen zu haben, weil man geatmet und nicht gelernt hat“. Dies sei aber kaum möglich, solange man sich vom ersten Semester an sowohl von den Professoren als auch von der Praxis unter Druck gesetzt fühle, unbedingt das Prädikat schaffen zu müssen und dafür den ganzen Tag in der Bibliothek sitzen zu müssen. Die Praxis und insbesondere die Kanzleien sollten ihrer Ansicht nach vermehrt von der Forderung nach Prädikatsnoten absehen und eine Richtung einschlagen, in der individuelle Interessen gefordert, gefördert und weiter vertieft werden. Gleichzeitig müssten die Studierenden ihrer Ansicht nach aber selber den Anspruch an sich haben, links und rechts zu schauen und sich nicht damit zufrieden zu geben, was die Studien- und Prüfungsordnungen verlangen und anbieten. Hierzu gehörten nicht nur Themen zur Digitalisierung, sondern auch viele andere Kurse, Veranstaltungen und Angebote, auch dann, wenn hierfür keine Zertifikate oder Teilnahmebescheinigungen erteilt werden.

Dalia stellte zudem klar, dass eine zeitgemäße juristische Ausbildung wichtig für alle Beteiligten ist und ein größerer Fokus auf interdisziplinäre Zusammenarbeit, Projektbezug und mehr Praxiserfahrungen gesetzt werden sollte. Angesichts des demografischen Wandels und der technologischen Entwicklungen in der Arbeitswelt zeichneten sich generationsübergreifend neue Chancen und Herausforderungen ab. Obwohl die Ausbildungslandschaft an alten Strukturen festhalte, bestehe ein großer Bedarf an neuen Weiterbildungskonzepten und Förderungsmöglichkeiten, um den neuen Nachwuchs mit Know-How und den notwendigen Fähigkeiten auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Hierfür sind nach ihrer Ansicht nicht nur die Universitäten verantwortlich, sondern auch Akteure aus der Wirtschaft. Im Rahmen ihrer Lehrtätigkeiten im universitären Kontext habe sie bemerkt, wie schwer es ist, Studierende dafür zu ermuntern, sich neben dem Studium mit fachübergreifenden Themen zu beschäftigen. Nach ihrer Auffassung muss noch stärker Aufklärungsarbeit betrieben werden, um Interessierte, StudienanfängerInnen und Langzeit-Studierende darüber zu informieren, welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Persönlichkeiten auf dem “Berufsmarkt der Zukunft” gesucht werden. Wichtig hierfür sei, dass die potenziellen Arbeitgeber ehrlich und transparent über Berufseinstiegschancen sowie die tatsächlichen Erwartungen sprechen und offen für einen Diskurs auf Augenhöhe sind.

Im Kampf um gute Nachwuchstalente werden ihrer Ansicht nach jene Kanzleien punkten, die sich für die Ausgangslage und Bedürfnisse der jüngeren Generation interessieren. Und diese Bedürfnisse könnten ihrer Meinung nach vielfältiger nicht sein. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass die heutigen Studierenden in einer Zeit aufgewachsen sind, in dem die Zukunft der Arbeitsplätze ungewiss ist und wir stets von einer Dichte neuer Informationen, Daten und Technologien umgeben sind, die unsere Lebensweise verändern. Während der Nachwuchs nach Selbstverwirklichung, Individualität und Work-Life-Balance strebe, werde der Erfolg gesellschaftlich anhand von Leistung, Aufstieg und Führungspositionen gemessen. Dass sich Lebensmodelle wie Work-Life-Balance in juristischen Berufen eher schwerer realisieren ließen und Werte wie Diversität und Individualität als schlichte Recruiting-Themen behandelt würden, ist ihrer Ansicht nach ein großes Problem. Dem Nachwuchs werde es vor allem darum gehen, wie sehr sich Unternehmen und Kanzleien tatsächlich darum bemühen, sie ganzheitlich in das Unternehmen einzugliedern und sie zu fördern, zu fordern und stets weiterzubilden.

Insgesamt war es eine angeregte Diskussion in der offenbar wurde, dass die nächste Generation die Welt teilweise aus einer anderen Perspektive wahrnimmt und unter anderem sehr viel Wert auf Interdisziplinarität legt.

Ausblick

Zum Abschluss gab Nico Kuhlmann noch einen Ausblick auf die anstehenden Termine im Rest des Jahres:

Zudem informierte Nico Kuhlmann die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorab darüber, dass das nächste Meetup am 6. September 2018 bei Google in Hamburg stattfinden wird. Thematisch wird es beim sechsten Hamburg Legal Tech Meetup um Maschinelles Lernen, die Arbeitsweise einer digitalen Rechtsabteilung und die zukünftige Zusammenarbeit von Rechtsabteilungen und Wirtschaftskanzleien gehen.

Schließlich stellte er die beiden Bücher “Legal Tech: Die Digitalisierung des Rechtsmarkts” und “Machine, Platform, Crowd: Harnessing Our Digital Future” vor und forderte die Interessierten auf, sich gerne unter Meetup.com in der Gruppe Hamburg Legal Tech Meetup einzutragen, um in Bezug auf die nächsten Meetups auf dem Laufenden zu bleiben.