Koalitionsvertrag: Was ist drin für Legal Tech?

Über den Koalitionsvertrag und eine mögliche Koalition zwischen CDU/CSU/SPD wird derzeit heftig diskutiert. Während einige erleichtert aufatmen, dass Deutschland doch noch fähig scheint, eine Regierung zu bilden, wird von allen politischen Richtungen und Strömungen teilweise heftige Kritik an dem Machwerk geübt, das Deutschland in den nächsten vier Jahren “zukunftsfähig” machen soll.

Was aber findet sich im Koalitionsvertrag Positives zu Legal Tech (Startups)?

Das Wort Legal Tech wird im Koalitionsvertrag nicht direkt erwähnt. Das Wort Digitalisierung aber immerhin 93-mal. Zumindest in vier Bereichen könnten sich die Pläne einer möglichen neuen Regierung positiv auf die Entwicklung von Legal Tech in Deutschland auswirken:

Förderung von (Legal Tech) Startups

Der Vertrag bündelt eine Vielzahl von Maßnahmen, um das Gründen in Deutschland zu erleichtern. Hervorzuheben sind hierbei

  • die Gründung eines Tech Growth Funds und nationalen Digitalfonds zur Verbesserung der Startup-Finanzierung
  • die geplante Reduzierung bürokratischer Auflagen für Startups und Gründungen

Weitere Maßnahmen finden sich schwerpunktmäßig auf S. 37-49 “Digitalisierung” und S. 59-66 “Wirtschaft”:

  1. Befreiung von der monatlichen Voranmeldung der Umsatzsteuer in den ersten beiden Jahren.
  2. “One-Stop-Shop” für Unternehmen
  3. Anpassungen im Insolvenzrecht
  4. Einführung einer Gründerzeit ähnlich der Familienpflegezeit
  5. Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen
  6. Neue Unterstützungsinstrumente für Gründerinnen
  7. Weiterentwicklung von Förderprogrammen
  8. Auflage eines großen nationalen Digitalfonds mit der deutschen Industrie
  9. Förderung von Social Entrepreneurship
  10. Einheitliche Regelungen im digitalen Binnenmarkt
  11. Fortsetzung und Ausbau der Digital Hub Initiative
  12. Systematische Förderung des Austausches zwischen Mittelstand und Gründern
  13. Bürokratie abbauen und Statistikpflichten verringern
  14. Ansprechpartner für Datenschutzfragen für Startups

Das sind viele und im Einzelnen auch gute Maßnahmen, die auch das Gründen von Legal Tech Startups erleichtern werden. Es beschleicht einen allerdings das Gefühl, dass eine übergeordnete Vision fehlt. Es ist viel “Klein-Klein”, ohne eine größere, strategische Vision, um Deutschland zur einem Startup-Valley zu machen. Schaut man sich die Versprechen aus dem letzten Koalitionsvertrag zur Startup-Förderung an, sieht man, dass weniger als 50% der versprochenen Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt wurden. Es darf also durchaus kritisch erwartet werden, was aus dem Koalitionsvertrag Wirklichkeit wird. Die versprochenen Maßnahmen würden aber in der Tat helfen, auch die Legal Tech Startup-Szene nach vorne zu bringen.

Förderung von KI

Union und SPD wollen in einer neuen gemeinsamen Regierung die Zukunftstechnologie künstliche Intelligenz (KI) stärker in den Fokus der Digitalpolitik rücken. Eine Chance für Legal Tech Startups mit KI-Schwerpunkt und Unternehmen, die sich mit der Digitalisierung der Verwaltung beschäftigen. Algorithmen, künstliche Intelligenz und lernende Systeme hätten in den Koalitionsverhandlungen “eine wesentlich größere Rolle als bisher” gespielt, sagte Verbraucherschutz-Staatssekretär Ulrich Kelber (SPD) dem “Handelsblatt”.

Die Veränderungen, die diese Technologien mit sich bringen, müssen verstanden, geltendes Recht durchgesetzt und eventuell Gesetzgebung verändert werden“, skizzierte Kelber die Herausforderung. Einig ist man sich etwa darin, gemeinsam mit Frankreich ein KI-Zentrum zu errichten. Dieses Vorhaben soll demnach mit einem “Masterplan künstliche Intelligenz auf nationaler Ebene” verbunden werden.

Auch das Thema “Regulierung von KI” findet sich im Koalitionsvertrag. Vereinbart wurde dazu in den Koalitionsverhandlungen, zum Schutz der Verbraucher Algorithmen und künstliche Intelligenz “überprüfbar” zu machen. “Wir werden Mechanismen entwickeln, um bei bedenklichen Entwicklungen tätig werden zu können”, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Grünen-Digitalexperte Dieter Janecek hält einen Rechtsrahmen für den Einsatz künstlicher Intelligenz für überfällig. “Die Ergebnisse müssen in für Menschen nachvollziehbarer Form dokumentiert werden, auch um Fehlentwicklungen bei den zugrundeliegenden Algorithmen erkennen zu können“, sagte Bär dem “Handelsblatt”.

Förderung der Blockchain-Technologie

Das Thema Blockchain findet sich an unterschiedlichen Stellen im Koalitionsvertrag. Hier bieten sich auch Chancen für Legal Tech Startups, die Produkte in diesem Bereich anbieten.

Der Koalitionsvertrag hat sich zum Ziel gesetzt, die Verwaltung auf den neuesten Stand zu bringen. „In der Bundesregierung werden wir innovative Technologien wie Distributed Ledger (Blockchain) erproben, so dass basierend auf diesen Erfahrungen ein Rechtsrahmen geschaffen werden kann.” Weiter heißt es: „Um das Potential der Blockchain-Technologie zu erschließen und Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wollen wir eine umfassende Blockchain-Strategie entwickeln und uns für einen angemessenen Rechtsrahmen für den Handel mit Kryptowährungen und Token auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen.

Ausbildungs- und Forschungsoffensive in allen Digitalisierungsfeldern

Die potentiellen Koalitionäre wünschen eine “Ausbildungs- und Forschungsoffensive in allen Digitalisierungsfeldern. Als besonders wichtig erachten wir Innovation, digitale Souveränität und Interdisziplinarität. Die Schwerpunkte der Mikroprozessortechnik und IT-Sicherheit wollen wir weiter stärken. Dazu kommen weitere Forschungsschwerpunkte wie künstliche Intelligenz, Data Science, Digital Humanities sowie Blockchain-Technologie, Robotik und Quanten-Computing.“ Insbesondere die Ausbildungsoffensive lässt Juristen aufhorchen. Das Fach “Digitalisierung” findet sich wohl noch an keiner juristischen Hochschule. Auch hier ist zu wünschen, dass die Digitalisierungsbemühungen, kommt es zu einer Koalition, auf den Legal Tech-Bereich und die juristische Ausbildung abfärben.

Der große Wurf in Sachen Digitalisierung ist der Koalitionsvertrag nicht – viele Einzelmaßnahmen sind allerdings sinnvoll und hilfreich. Kommen sie tatsächlich zur Umsetzung, dürfte das den Digital- und Legal Tech-Standort Deutschland voranbringen. Aber auch hier gilt das bekannte Bonmot aus der Startup-Welt: “Ideas are worth nothing unless executed. They are just a multiplier. Execution is worth millions.”