Marketingstrategie für juristische Dienstleister

von Su Reiter

Innerhalb der letzten 20 Jahre ist das Thema Online Marketing für verschiedene Branchen zu einer Top-Priorität geworden. Auch die Rechtsbranche passt sich immer mehr an das digitale Zeitalter an. Für viele juristischen Dienstleister ist klar: Rechtsprodukte sind nicht nur eine lukrative Einnahmequelle, sondern erleichtern Ratsuchenden den Zugang zum Recht. 

Warum Kanzleien und juristische SaaS-Unternehmen dabei auf eine Marketingstrategie setzen sollten und worum es dabei konkret geht, erklärt Content Marketing-Expertin Su Reiter in diesem Fachartikel zum Thema.

Beratung vs. Software: Die Rechtsbranche verändert sich

Der Dienstleistungssektor hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert: Während es früher ausschließlich darum ging, klassische Beratungsleistungen anzubieten, entwickeln innovative Startups und moderne Kanzleien mittlerweile eine Vielzahl von verselbstständigten Rechtsprodukten, die sich durch eine gezielte Marketingstrategie verbreiten lassen.

Der Bedarf an Rechtstools ist so hoch, dass der Begriff „AGB-Generator“ allein in Deutschland fast 2.000 Suchanfragen pro Monat generiert. 2.000 Menschen und das jeden Monat – wenig verwunderlich, dass einige Rechtsdienstleister zu diesem Suchbegriff mittlerweile in bezahlte Werbeanzeigen auf Suchmaschinen wie Google investieren.

Allerdings erschöpft sich das Thema Marketing nicht in bezahlten Werbeanzeigen, die bei einem Zahlungsstopp nicht selten in sofortige Unsichtbarkeit münden. Vielmehr gilt es, nachhaltig sichtbar zu werden, organisch zu wachsen und eine Marke („Brand“) aufzubauen, mit der sich Menschen gerne identifizieren.

Der Boom der digitalen Rechtsprodukte

Internationale Riesen wie Adobe, Zoom, Google oder Microsoft gehören zu den erfolgreichsten SaaS-Unternehmen weltweit. Auf internationaler Ebene wird allerdings auch gerne in innovative Legal Tech-Tools investiert – Tools, die in der Lage sind, eigenständig wiederkehrende juristische Tätigkeiten zu übernehmen oder zumindest juristischen Dienstleistern die Arbeit zu erleichtern. 

Mithilfe von Digitalisierung, Automation und zum Teil sogar Künstlicher Intelligenz lassen sich repetitive Aufgaben in eine Software einpflegen und verselbstständigen. 

Schon heute ermöglichen es Unternehmen wie BRYTER oder Legal OS mithilfe von Softwareanwendungen bspw. Verträge individuell und automatisiert anzupassen, sodass es lediglich einer finalen menschlichen Überprüfung bedarf. Dies entlastet nicht nur Legal Teams im stressigen Arbeitsalltag, sondern verhindert unter Umständen sogar Fehler, die etwa durch Unaufmerksamkeit verursacht werden. 

So werden an anderer Stelle wertvolle Ressourcen frei, die in persönliche Betreuung, Unternehmensentwicklung und Marketing investiert werden können. 

Juristische SaaS-Unternehmen: Rechtsprodukte haben Erklärungsbedarf

Ist ein solches Rechtsprodukt einmal konzipiert und entwickelt, lehnen sich viele Teams zurück und vertrauen auf die Akzeptanz auf dem Markt. Wird das Produkt zügig auf dem Markt angenommen, erübrigt sich häufig das Marketingbudget. Ist es hingegen wenig erfolgreich, wird daraus schnell geschlussfolgert, dass der Markt einfach noch nicht bereit ist für Legal Tech. 

Strategisches Marketing kann allerdings nicht nur die Marktakzeptanz erheblich beeinflussen, sondern auch einen neuen Bedarf („Need“) schaffen.

Die Rechtsbranche übt sich nach wie vor in großer Zurückhaltung, wenn es um Marketing und Vertrieb geht. Gerade bei Rechtsprodukten bedarf es aber einer durchdachten Marketingstrategie, denn es handelt sich häufig um Produkte mit Erklärungsbedarf

Anhand von kreativen Konzepten, die neben visuellen Elementen auch Educational Content enthalten können, lassen sich Bedürfnisse wecken, dessen Vorhandensein für die Zielgruppe vielleicht gar nicht offensichtlich war. 

Beispiel: Ein DSGVO-konformes Hinweisgebersystem klingt zunächst wenig emotional. Erreicht man aber mit gutem Storytelling den gewünschten Effekt, dass es sich bei der Einrichtung einer solchen Meldestelle nicht nur um eine gesetzliche Vorgabe, sondern auch um eine Teambuilding-Maßnahme handelt, kann die Zielgruppe sich besser damit identifizieren.

Das Rechtssystem ist für juristische Laien in der Regel sehr undurchsichtig, komplex und schwer zugänglich. Zum Beispiel sind viele Website-Betreiber auf der Suche nach verlässlichem, unkompliziertem Rechtsrat, wenn es um Cookie-Plugins, rechtsgültige AGB oder den Datenschutz geht. Es braucht also Experten, die nicht nur innerhalb ihrer Themenwelt über Fachwissen verfügen, sondern die in der Lage sind, ihre Fachkompetenz in die Sprache der Neuen Medien zu übersetzen.

Der Markt ist also bereit für juristische Software, die etwa Online-Unternehmer dabei unterstützt, mit wenigen Klicks gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Die Frage ist: Ist die Rechtsbranche es auch?

Marketingstrategie entwickeln: Sichtbarkeit für digitale Dienstleister auf dem Rechtsmarkt

Noch nie war es einfacher, sich online eine Reputation aufzubauen wie heute. Wer heute in der Onlineweltsichtbar sein möchte, kann sich auf einer breiten Spielwiese bedienen: Kostenlose Grafikprogramme, Video-Tutorials, kompakte Onlinekurse und der unkomplizierte Kontakt zu Experten über Social Media vereinfachen den Zugang zum Thema Marketing

Kurz: Wer nicht bereit oder in der Lage ist, ein Marketingbudget bereitzuhalten, kann dies mittlerweile mit einem überschaubaren Zeitinvestment ausgleichen.

Dabei kommt es nicht nur auf die Wahl der richtigen Social-Media-Kanäle an. Ein strategisches Vorgehen erfordert zunächst einmal die Entwicklung einer nahbaren, emotionalen Marke, mit der sich die Zielgruppe identifizieren kann. 

Aufmerksamkeit ist in der schnelllebigen Onlinewelt ein sehr knappes Gut – und stark umkämpft. Wer im Internet-Dschungel überleben will, muss im Kopf bleiben, emotional abholen und nachhaltig Vertrauen schaffen. Das lässt sich – stark vereinfacht – anhand von 3 Schritten umsetzen.

1) Zielgruppenanalyse (H3)

Bevor Marketing-Maßnahmen ergriffen werden können, ist es wichtig zu erfassen, an wen sich diese primär richten sollen. Insbesondere in der Rechtsbranche lässt sich dies grob in 2 Kategorien aufteilen: 

B2BB2C
Dienstleistungen für Juristen (wie Anwälte) und juristische Unternehmen (z.B. Kanzleien oder Startups), zum Teil auch Behörden.

Beispiele: Strategie- und Rechtsberatung, AGB-Generator 
Dienstleistungen für Verbraucher, Privatpersonen und Endkunden, die in der Regel juristische Laien sind. 

Beispiele: Rechtsberatung und -durchsetzung, Musterschreiben für Fitnessstudio-Kündigungen, Steuer- und Finanztools.

Diese Vorarbeit legt den ersten Baustein für eine erfolgversprechende Marketingstrategie, denn sie bestimmt über die Wahl der Plattformen, die Sprache, die grafische Aufbereitung und die Kommunikation nach außen. Sie gibt die Richtung für die Entwicklung einer vertrauenswürdigen Marke („Brand Building“) vor.

Während Business-Netzwerke wie LinkedIn eine klare B2B-Ausrichtung haben, können Suchmaschinen oder soziale Netzwerke wie Facebook und TikTok die Orte sein, in denen sich Rat suchende Verbraucher aufhalten. 

Es gilt, dort sichtbar zu sein, wo sich die eigene Zielgruppe bereits aufhält.

2) Markenentwicklung

Jedes Unternehmen, jede Person im Internet ist eine Marke – ob gewollt oder unbewusst. Wir alle werden auf eine bestimmte Art wahrgenommen und das können wir nicht abschalten.

Es ist zwar richtig, dass dies auch für die Offlinewelt gilt. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass wir unsere Außenwahrnehmung im Internet viel besser steuernkontrollieren und auswerten können. Wir haben mehr Möglichkeiten, unsere eigene Personenmarke („Personal Brand“) zu gestalten und auf diese Weise zu beeinflussen, wie Menschen über uns denken.

Dazu gehören selbstverständlich ein Logo und eine Website – aber der Optimierungsprozess endet nicht dort. Die Wahl der richtigen Bilder und Worte zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Internetpräsenz. 

Dabei kommt es auch auf die Alleinstellungsmerkmale („Unique Selling Proposition“) an: Wofür eine Marke steht, welche Werte sie vermittelt und welchen Eindruck sie hinterlässt, welches Problem sie lösen will – all das gilt es, in dem zweiten Schritt zu definieren.

3) Content Creation

Das Grundelement jeder Marketingstrategie ist Content. Damit sind alle Inhalte gemeint, die im Internet über unsere Sinne wahrgenommen werden können. Neben Textbeiträgen gehören dazu auch VideosAudios und weitere Maßnahmen, die einen direkten Einblick in die jeweilige Themenwelt gewähren.

Eine gelungene Internetpräsenz ist sichtbar. Sie zieht Aufmerksamkeit auf sich, hebt sich von anderen ab und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Dies führt dazu, dass Personen oder Unternehmen häufig allein wegen ihrer Internetpräsenz weiterempfohlen werden, obwohl die empfehlende Person noch nie eine Dienstleistung in Anspruch genommen hat. 

Dieser Effekt lässt sich durch Sichtbarkeit auf den gängigen Plattformen erreichen. Vermarktung durch Inhalte („Content Marketing“) – diese Strategie ist der Grund dafür, warum wir mit Supermärkten wie Edeka mittlerweile einen ganz anderen Mehrwert verbinden als noch vor einigen Jahren. 

Auch in der Rechtsbranche wird Content Marketing häufig eingesetzt, um Mandate zu generieren (schön zu beobachten am Beispiel von Rechtsanwalt Christian Solmecke, der durch informative YouTube-Videos zu Rechtsthemen die WBS-Kanzlei für eine breite Zielgruppe im Internet bekannt gemacht hat).

Content mit Mehrwert geht über das bloße Erklären eines Produktes oder der dahinterstehenden Problemlösung hinaus. Vielmehr ist es das Ziel, das Look & Feel von Rechtsprodukten, aber auch von Beratungsleistungen zu vermitteln: Wie fühlt es sich an, mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten? Welche meiner Erwartungen als Verbraucher oder Associate werden erfüllt? Mit welchem Bauchgefühl empfehle ich diesen Dienstleister weiter?

Diese Fragen lassen sich mithilfe von strategisch aufgebautem, regelmäßigem und nahbarem Content beantworten. Der Fokus liegt nicht nur auf dem „Was“, sondern idealerweise vielmehr auf dem „Wie“. Die inhaltliche Qualität des Contents, aber auch die Wirkung bestimmter Farben, die Wahl bestimmter Worte und Sinnbilder und der „Ton“ zwischen den Zeilen machen eine ganzheitliche Marketingstrategie aus und können als Alleinstellungsmerkmal entscheidend für eine Kontaktaufnahme sein.Der Rückgriff auf erfahrene, kreative Content Creator liegt also auch in der Rechtsbranche nicht fern, auch wenn dies noch nicht sehr verbreitet ist. Die Zusammenarbeit mit Social Media-Experten und Freelancern entlastet nicht nur das eigene Legal Team (das sich im Zweifel weder für Social Media begeistert noch damit auskennt), sondern erspart das Einarbeiten in die vielseitige Welt des Content Marketings.

Über die Autorin: Su Reiter ist Expertin für Content Marketing und unterstützt Einzelanwälte, Kanzleien und juristische Unternehmen dabei, im Internet sichtbar zu werden. Ihre Schwerpunkte liegen auf juristischen SEO-Texten und LinkedIn-Content. Auf diese Weise trägt sie als angehende Juristin zur Digitalisierung der Rechtsbranche bei. 

Websitewww.su-reiter.de; LinkedInhttps://www.linkedin.com/in/sureiter/; Kontaktinfo@su-reiter.de