meinBafög: Wenn Antragswesen auf Digitalisierung trifft

Von Mischa Peters — Pascal Heinrichs, Philipp Leitzke und Alexander Rodosek, die Gründer von meinBafög, wollen mit ihrem Portal das BAföG umkrempeln. Dynamik statt Status quo. In ihrem Team, so steht es auf der meinBafög-Homepage, trifft Antragswesen auf Digitalisierung. Was das genau bedeutet, welche Zeitersparnis Studierende mit meinBafög erzielen können, wie sich mit dem Service Geld verdienen lässt und warum Funding bei einem digitalen Business aus seiner Sicht keinen Sinn macht, verrät uns Pascal im Interview mit dem Legal Tech Blog.

LTB: Hallo Pascal, schön, dass Du Dir die Zeit nimmst und uns einen Einblick in das Geschäftsmodell von meinBafög geben magst. An wen sich Euer Service richtet, verrät bereits der Name meinBafög: Was können Studierende erwarten, wenn sie sich in Sachen BAföG an Euch wenden?

Pascal Heinrichs: Hallo Mischa, danke für die Einladung. Grundsätzlich können nicht nur Studierende, sondern auch Schüler BAföG beantragen. Der Einfachheit halber spreche ich hier aber mal nur von Studierenden. Das Hauptproblem beim BAföG-Antrag ist, dass es die Studierenden durchschnittlich fünf Stunden Bearbeitungszeit kostet, die nötigen Formblätter auszufüllen. Mit unserem Service sind die Anträge demgegenüber schon in 30 min ausgefüllt. Zudem rechnen wir sofort aus, ob ein Anspruch überhaupt besteht und wie hoch die Fördersumme insgesamt ausfällt. Sollte angezeigt werden, dass kein Anspruch besteht, erhalten die Antragsteller hierfür direkt eine Begründung.

Wir bieten auch einen Live-Support an, sodass die Antragsteller während der Beantragung Fragen stellen können. Sie müssen also nicht erst Kontakt mit dem zuständigen Amt aufnehmen, um sich Hilfe zu holen. Daneben werden neben dem BAföG-Antrag automatisch weitere Anträge erstellt, wie z.B. der GEZ-Befreiungsantrag, den die Studierenden zusätzlich kaufen können. Wir nutzen außerdem einen Rechtstextgenerator, der schwierige Sozialfälle abdeckt, wie beispielsweise die Kontaktverweigerung zu den Eltern oder politische Verfolgung. Aber wenn ich mich auf einen Punkt festlegen müsste, würde ich sagen: von unserem Service zu erwarten, ist in erster Linie eine schnelle Bearbeitung.

Pascal Heinrichs hat sich schon früh gefragt, warum die Beantragung von BAföG nicht digital möglich ist. Gemeinsam mit …

LTB: Was muss ein Student ungefähr für Eure Dienstleistung bezahlen?

Heinrichs: BAföG muss jedes Jahr neu beantragt werden. Die Studierenden müssen also drei Mal während des Bachelorstudiums und zwei Mal während des Masterstudiums einen neuen Antrag ausfüllen. Die Erstellung eines Antrags kostet bei uns momentan 24,99 €. Man kann aber auch ein Paket für das gesamte Bachelorstudium kaufen. Das ist dann insgesamt günstiger und kostet 49,99 €.

LTB: Das ist nicht gerade viel. Und damit könnt ihr tatsächlich nachhaltig Gewinne erwirtschaften?

Heinrichs: Toll Mischa, dass dir das auffällt. Dadurch, dass unser Business komplett digital und automatisiert abläuft, haben wir kaum Kosten. Zunächst mal haben wir kein Büro, arbeiten also 100 Prozent remote. Außerdem laufen bei uns alle Prozesse – bis auf die Buchhaltung und der Support – automatisch ab. Und auch unseren Support haben wir so ausgestaltet, dass unsere Kunden im Self-Help-Center erstmal versuchen sollen, das Problem eigenständig zu lösen. Nur für komplizierte Fälle ist unsere Supportkraft überhaupt zuständig.

… Philipp Leitzke und …

LTB: Du hast mir erzählt, dass Du die Idee zu meinBafög schon relativ lange mit dir herumgetragen hast. Als Du und Deine beiden Mitstreiter und langjährigen Kumpels Alexander Rodosek und Philipp Leitzke dann tatsächlich gestartet seid, wart Ihr alle drei noch in anderen Vollzeitjobs unterwegs. War das in der Gründungsphase nicht ein ziemlicher Kraftakt?

Heinrichs: Ja, tatsächlich kam mir die Idee als ich 18 Jahre alt war und selbst Probleme mit der Beantragung von BAföG hatte. Damals habe ich mich immer wieder gefragt, warum das nicht einfach digital möglich ist. Mit der Entwicklung so richtig begonnen habe ich dann nach dem Studium mit 21 Jahren als ich noch in einer IT-Beratung gearbeitet habe. Daneben habe ich dann, zusammen mit Alex, der damals noch bei einer Wirtschaftsprüfung angestellt war und Philip, der auch bei einer IT-Beratung gearbeitet hat, unser Business aufgebaut. Das war natürlich keine einfache Zeit, weil wir über drei Jahre lang 80 Wochenstunden gearbeitet haben und so praktisch zwei Jobs gleichzeitig hatten, bis wir dann nach und nach kündigen konnten.

LTB: Mittlerweile seid nicht nur Ihr drei ausschließlich für meinBafög tätig, Ihr habt ein ganzes Team um Euch herum. Wie viele Mitarbeiter sind bei Euch im Einsatz? Plant Ihr einen weiteren Ausbau des Teams?

Heinrichs: Wir haben, wenn man freie Mitarbeiter mitzählt, insgesamt elf Team-Mitglieder. Prinzipiell wollen wir natürlich gerne ausbauen, aber nur, wenn auch der Bedarf da ist. Unser Ziel ist ja nicht, eine möglichst hohe Payroll aufzubauen. Wir müssen die Mitarbeiter wirklich brauchen und außerdem müssen sie in unser Team passen. Einstellen ist für uns kein Selbstzweck.

LTB: Ihr habt Euch sehr bewusst gegen den Weg der Fremdfinanzierung Eures Startups entschieden? Wieso?

Heinrichs: Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Natürlich zieht jeder Gründer mal Funding in Betracht. Wir sind für uns allerdings zu dem Schluss gekommen, dass Funding einfach nur ein schlechterer Kredit ist. Denn für ein Kredit müsste man keine Unternehmensanteile abgeben, beim Funding hingegen schon. Nach meiner Erfahrung ist das vielen Gründern nicht klar. Wir wollen aber lieber den ganzen Kuchen haben, als nur ein kleines Stück davon. Das scheinen viele Gründer anders zu sehen. Grundsätzlich bin ich aber nicht komplett dagegen. Nur bei einem digitalen Business macht Funding aus meiner Sicht keinen Sinn, weil man sich da besser als in anderen Branchen durch Eigenkapital finanzieren kann.

… Alexander Rodosek hat er nun mit meinBafög einen entsprechenden Service für Studierende entwickelt.

LTB: Du hast im Vorgespräch vom Relaunch Eures Service erzählt. Was war denn der Grund für die Neuprogrammierung und hat sich der Aufwand gelohnt?

Heinrichs: Der Hauptgrund für unsere Neuprogrammierung war, dass wir unser System modular aufbauen wollten. Damit können wir für Gesetze, die dem BAföG ähnlich sind, relativ einfach eine neue Applikation erstellen. Das haben wir mit unserem neuen Projekt “dasElterngeld.de” auch schon umgesetzt und konnten im Jahr 2019 vor allem durch BAföG um über 100 Prozent zum Vorjahr wachsen.

LTB: Welche Ziele habt Ihr für die Zukunft? Habt Ihr bereits weitere Projekte in der Pipeline?

Heinrichs: Das Ziel dieses Jahr ist es, alle Bundesländer in unsere Elterngeld-Plattform einzubinden, weil bisher nur Eltern aus NRW das Tool nutzen können. Und eventuell kommt dieses Jahr noch eine dritte Plattform online.

LTB: Das Thema Funding haben wir bereits besprochen. Gibt es darüber hinaus etwas, was Du jungen Unternehmern raten würdest, die gerade überlegen eine – hoffentlich gute – Legal-Tech-Idee umzusetzen? Welche Kardinalfehler sollte man vermeiden?

Heinrichs: Ich denke, man sollte nicht zu locker damit umgehen, die Unternehmensanteile als Gehalt auszahlen, nur weil man der Meinung ist, einen Mitarbeiter zu benötigen. Davon würde ich grundsätzlich abraten. Die Anteile sollten möglichst bei den Gründern bleiben. Mitarbeiter kommen und gehen, aber haben dann trotzdem noch die Anteile deines Unternehmens, für das du weiter Gas gibst. Meiner Meinung nach ist das keine nachhaltige Strategie.

Wenn man Geld braucht, sollte man lieber ein Kredit aufnehmen. Wenn man das nicht möchte, sollte man sich vielleicht nochmal überlegen, ob man wirklich hinter dem eigenen Unternehmen steht. Ansonsten kann ich nur dazu raten, Probleme zwischen den Gründern immer anzusprechen. Genau wie in einer guten Beziehung muss man hier miteinander kommunizieren und darf die Situation möglichst nicht eskalieren lassen. Das ist ganz wichtig und gleichzeitig auch nicht leicht, denn am Ende verbringt man wahrscheinlich mehr Zeit mit den anderen Gründern, als mit dem eigenen Partner oder der Partnerin.

LTB: Zum Schluss noch die Bitte um eine allgemeine Einschätzung von Dir zum Legal-Tech-Markt: Was glaubst Du, in welche Richtung wird sich Legal Tech in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Was kann sich am Markt durchsetzen und halten? Ist die Zeit der Goldgräberstimmung in der Szene bereits vorüber oder besteht für Startups noch die Chance, ihre Ideen zu platzieren und damit Geld zu verdienen?

Heinrichs: Ich habe festgestellt, dass der Legal-Tech-Markt noch sehr am Anfang seiner Entwicklung steht. Es gibt zwar immer mehr B2B-Digitalisierung oder -Automatisierung von Kanzleien. Auf dem B2C-Markt konzentrieren sich die Anbieter allerdings immer auf das gleiche Modell, indem sie sich Ansprüche abtreten lassen, um sie dann gegen eine Erfolgsprovision geltend zu machen. Daneben gibt es aber noch zahlreiche Problemfelder. Mir fallen dabei natürlich vor allem weitere Sozialgesetze ein, deren Handhabung in der Praxis mit technischen Mitteln weitaus einfacher gestaltet werden könnte. Insgesamt ist in dem Bereich „Access to Justice“ meiner Meinung nach bisher nur an der Oberfläche gekratzt worden.

LTB: Lieber Pascal, ich danke Dir für das aufschlussreiche Gespräch und wünsche Dir und Deinem Team weiterhin viel Erfolg!