METHODIGY: Den Wissensschatz der täglichen Aktenarbeit nutzen

Von Mischa Peters

METHODIGY ist eine Software für die digitale Bearbeitung von juristischen Fallakten mit integrierter dynamischer Vorlagen- und Klauselverwaltung. Die Software organisiert Wissen nach der Methode juristischen Arbeitens; Akteninhalte werden selektiert und zu dokumentenübergreifenden Strukturen zusammengeführt. METHODIGY verschafft Zugriff auf präzises Wissen und auf den Weg, wie die Akteninformationen entstanden sind. Uwe Horwath, einer der drei Gründer von METHODIGY, stand dem Legal Tech Blog im Interview Rede und Antwort.

[Bild: Wolfgang List — Die Gründer von METHODIGY: Matthias Göbel (von links), Uwe Horwath und Vincent Merz.]

LTB: Herr Horwath, Sie waren bei den Legal Transformation Days in Berlin und haben dort ihre Software für die digitale Bearbeitung von juristischen Fallakten präsentiert. Der Name der Veranstaltung ist auch für Sie und Ihr Unternehmen Programm. Was kann Ihre Software für Kanzleien und Rechtsabteilungen leisten?

Horwath: METHODIGY, so heißt unsere Software, steigert die Effizienz der juristischen Arbeit. Dies geschieht aber nicht zulasten der Qualität. Im Gegenteil: Durch das intuitive, an der anwaltlichen Praxis orientierte Wissensmanagement, wird die Qualität der juristischen Dienstleistung sogar noch gesteigert.

LTB: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den klassischen Papierberuf des Rechtsanwalts digitalisieren zu wollen? Gibt es dazu eine Geschichte?

Horwath: Ich habe über Jahre als Rechtsanwalt gesellschaftsrechtliche Mandate bearbeitet und stand täglich vor dem gleichen Problem: ich musste Arbeitsergebnisse aus der Vergangenheit aufwendig rekonstruieren. Das macht auf Dauer wenig Spaß und ist völlig ineffektiv. Irgendwann merkte ich: Das Problem ist immer das gleiche: Anwälte verlieren sehr viel Zeit, weil sie sich bestimmte Gedanken immer wieder machen müssen. Ich war verwundert, wie wenig mein Berufsstand aus dem Wissensschatz macht, der bei der täglichen Aktenarbeit entsteht. Ich suchte nach einer Softwarelösung, die uns helfen würde, diesen Missstand zu beseitigen. Es gab keine. Also beschloss ich Anfang 2012 gemeinsam mit meinen zwei Partnern, eine eigene Lösung zu entwickeln.

LTB: Können Sie Ihren Ansatz an ein paar Beispielen erklären?

Horwath: Ich arbeite zum Beispiel mit Vertragsmustern aus einer Musterdatenbank. Ich weiß, dass ich selbst oder meine Kollegen in früheren Fällen einzelne Klauseln aufwendig umgestaltet haben. Natürlich würde es mir helfen, wenn ich auf diese Bearbeitungen unmittelbar Zugriff hätte. Am besten wäre es sogar, ich könnte unmittelbar nachvollziehen, welche einzelnen Arbeitsschritte zu der individuellen Anpassung geführt haben. War eine besondere Rechtsprechung relevant? Erforderte die Interessenlage des Mandats eine Änderung? Die Realität in den meisten Kanzleien und Rechtsabteilungen sieht so aus: dieses Wissen wird entweder gar nicht verwertet, oder erst nachdem es mit sehr viel Zeiteinsatz mühsam rekonstruiert wurde.

Eine ähnliche Situation stellt sich bei der Gestaltung von Schriftsätzen oder Gutachten. Bestimmte Rechtsfragen, die bereits ausführlich aufbereitet wurden, sollten als Textbaustein in einem neuen Fall sofort verwertet werden können. Dazu muss ich wissen, in welchen anderen Akten der Baustein bereits verwendet und ggf. wie er überarbeitet wurde. Ich muss innerhalb kürzester Zeit nachvollziehen können, warum ein Textbaustein angepasst wurde und ob diese Anpassung auf meinen konkreten Fall übertragbar ist. Viele Kollegen, haben über Jahre solche Textbausteine gesammelt und mühsam in Systemen einpflegt, die diesen Anforderungen nicht entsprechen.

Auch wenn ein Anwalt in einem aufwändigen Verfahren einen Schriftsatz liest, versucht er stets auf bisherige Informationsstrukturen zurückzugreifen: Er will wissen, ob und was zu einem Themenkomplex bereits vorgetragen wurde, welche Recherchen er oder seine Kollegen bereits durchgeführt haben, um eine präzise und gute Erwiderung mit wenig Zeitaufwand zu produzieren. Hier setzt die Idee von Methodigy an.

LTB: Das klingt nach einem digitalen Zettelkasten.

Horwath: Eben nicht. METHODIGY schafft eine direkte Verbindung zwischen dem konkreten Fall und einem leistungsstarken Vorlagen- und Wissensmanagement. Wir verfolgen den Ansatz nicht vom theoretischen Bausteinkatalog, sondern von der Seite des Anwenders. Der Anwalt muss intuitiv damit zurecht kommen.

LTB: Stellen Sie uns doch einmal kurz die Kernfeatures der Software vor.

Horwath: METHODIGY bildet die anwaltliche Fallarbeit ab: juristische Analyse, Strukturierung von Akteninformationen, das alles wird grafisch sichtbar gemacht und per Drag & Drop zu beliebigen Informationsstrukturen zusammengeführt.

Diese individuell erstellte Struktur ist mit einem Texteditor verknüpft, mit dem Akteninformationen ebenfalls per Drag & Drop in neue Schriftsätze überführt und zu beliebigen Texten weiterverarbeitet werden. Die Texte werden als Word-Dokumente herausgegeben und sehen, weil wir die Templates der Kunden in METHODIGY einbinden, genauso aus, wie die Schriftsätze und Verträge des Kunden oder des Anwalts. Alle Textbausteine können per Volltextsuche mühelos gefunden werden: neben der eigentlichen Fundstelle zeigt die Suche sämtliche vom Anwender bereits hergestellte Informationsverbindungen an. Wer mit METHODIGY arbeitet, hat nicht nur Zugriff auf das präzise Wissen, sondern auch auf den Weg, wie Akteninformationen entstanden sind und verarbeitet wurden.

LTB: Sie sprachen aber auch von Wissensmanagement?

Horwath: Richtig. Ein weiterer Schwerpunkt der Software ist die dynamische Vorlagen- und Klauselverwaltung. METHODIGY transferiert Aktenwissen zu Kanzleiwissen. Dazu überführt die Software individuell angelegte Inhaltestrukturen, Vertragsmuster und sonstige Textbausteine in Cluster. Diese Cluster werden laufend mit allen wichtigen Kontextinformationen wie Recherchen und Gestaltungshintergründen aus konkreten Fallakten angereichert. Die in METHODIGY angelegten Vorlagentexte wachsen um alternative Formulierungen, die in späteren Fallbearbeitungen entstehen. Bei aller Textfülle bleibt jedoch die für Kollegen so wichtige Ordnung: Der Anwender weiß stets, in welcher Akte die Klausel oder der Textbaustein entstanden ist und welche tatsächlichen oder rechtlichen Hintergründe für deren Gestaltung entscheidend waren.

LTB: Sie erwähnten vorhin Ihre beiden Partner. Wer sind die Gründer und Hauptverantwortlichen von METHODIGY? Wie groß ist das Team derzeit und wie sieht die personelle Planung für die nächsten zwölf Monate aus?

Horwath: Wir sind drei Gründer. Meine beiden Partner Vincent Merz und Matthias Göbel sind Softwareingenieure, die über acht Jahre als SAP-Berater tätig waren, ehe sie sich selbständig machten. Sie verantworten die Entwicklung des Produkts. Ich selbst bin Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und für das Fachkonzept der Software verantwortlich.

Inzwischen beschäftigen wir in der Entwicklung zwei Teilzeitkräfte. Die Einstellung eines Entwicklers, der in Vollzeit für uns arbeiten wird, steht unmittelbar bevor. Für die weitere Zukunft will ich nur so viel verraten: Wir werden dynamisch wachsen.

LTB: METHODIGY ist nicht der einzige Anbieter in diesem Bereich. Was verschafft Ihnen gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil?

Horwath: METHODIGY fängt dort an, wo die klassische Kanzleisoftware aufhört. Meistens beschränkt sich die marktübliche Software doch nur auf Dokumentenverwaltung. Wir bilden die Arbeit der synaptischen Verknüpfungen, die sonst im Kopf eines Anwalts passieren, dynamisch und grafisch ab. Im Bereich der anwaltlichen Wissensarbeit sind wir damit im Hinblick auf Technologie und Funktionen absoluter Vorreiter und haben ein klares Alleinstellungsmerkmal.

LTB: Sehen Sie auch besondere Risiken für Ihr Geschäftsmodell?

Horwath: Jede wirtschaftliche Unternehmung birgt Risiken. Wir haben uns sehr intensiv mit der Chancen-Risiken-Analyse unseres Projekts beschäftigt und ich denke, dass wir auf verschiedene Szenarien gut reagieren können. Das sieht übrigens die hochkarätige Jury des Gründerpreises Baden-Württemberg ebenfalls so. Sie hat uns in der diesjährigen Auflage des Gründerpreises mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Entscheidende Bewertungskriterien waren neben dem Produkt die Darstellung unseres Geschäftskonzepts, die Marktanalyse und eben auch die Chancen-Risikobewertung in unserem Businessplan.

LTB: Welche Schwierigkeiten auf dem Weg zur fertigen Softwarelösung galt es für Sie zu überwinden? Welche Probleme/Fehler waren hilfreich für die Entwicklung der Software?

Horwath: Wir wussten von Anfang an, dass wir mehrere Jahre entwickeln werden, bis die erste Softwareversion fertig sein wird, da unser Tool sehr groß ist und die Ziele sehr ambitioniert waren. Das erforderte viel Ausdauer und Disziplin. Wir mussten bereits zu Beginn des Projekts ein sehr klares Bild vom fertigen Produkt haben und dennoch in der Lage sein, Erfahrungen aus der Praxis unmittelbar in die Produktentwicklung einfließen zu lassen. Ich habe über Jahre parallel zur Entwicklung als Anwalt gearbeitet. Das war eine ziemliche Doppelbelastung. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass es sich bezahlt gemacht hat: Der Workflow der Software geht Hand in Hand mit der Praxis.

LTB: Anwälte arbeiten zunehmend auch auf mobilen Endgeräten. Kann METHODIGY auch auf Smartphones und Tablets genutzt werden? Und lässt sich dies problemlos mit der “normalen” Arbeit auf dem PC oder Laptop kombinieren?

Horwath: Für die Arbeit auf mobilen Endgeräten bieten wir eine Virtualisierungslösung für METHODIGY an. Mit dieser verfügen die Anwender über die volle Funktionalität der Anwendung auf den mobilen Endgeräten.

LTB: Wichtige Stichworte, die Sie zur Beschreibung Ihrer Software verwenden, scheinen Kollaboration und Wissensmanagement zu sein. Zum Wissensmanagement haben wir nun einiges gehört. Was muss ich mir unter Kollaboration vorstellen?

Horwath: Mit METHODIGY legt der Anwalt das Vorgehen zur Bearbeitung eines konkreten Falls individuell fest. Er kann Aufgaben definieren, verteilen und diese zu einem vollständigen Leitfaden der Fallbearbeitung zusammenführen. Das Besondere dabei ist, dass in jedem Zwischenstadium der Fallbearbeitung klar erkennbar ist, wie welcher einzelne Bearbeiter Akteninformationen analysiert, inhaltlich zuordnet  und verwertet. Für die Arbeit im Team ist das sehr bereichernd, weil es die gemeinsame Arbeit an einem komplexen Fall deutlich erleichtert.

LTB: Welches Preismodell werden Sie bei METHODIGY verwenden? Können sich auch kleinere Kanzleien die Software leisten?

Horwath: Der Mietpreis für eine Monatslizenz pro Arbeitsplatz beträgt 70,00 €. Im Mietpreis enthalten sind alle Programmupdates sowie der Support. Bei Bestellungen ab 10 Arbeitsplätzen reduziert sich der Preis pro Arbeitsplatz. Damit ist die Software auch für kleinere Kanzleien, insbesondere Boutiquen, sehr interessant. Überall dort, wo umfangreiche Akten bearbeitet werden, gibt es ein riesiges Potential zur Steigerung der Effizienz anwaltlicher Wissensarbeit.

LTB: Was sind Ihre kurz- und langfristigen Ziele für und mit METHODIGY?

Horwath: Unser kurzfristiges Ziel ist es, die vielen Anregungen zu nutzen, die wir aktuell aus dem Echtbetrieb der Software von unseren Kunden erhalten, um weitere Funktionen entwickeln. Viele Anwälte machen sich seit Langem sehr gute Gedanken darüber, wie sie ihre Aktenbearbeitungsprozesse und die Wissensorganisation ihrer Kanzleien verbessern können. Sie sehen ihre Gedanken bei uns erstmals in einer Software umgesetzt und bringen sich deswegen aktiv ein. Dieser Austausch ist sehr bereichernd und hat bereits zu einigen Funktionserweiterungen geführt.

Langfristig wollen wir uns als ein Dienstleister im Markt etablieren und gesehen werden, der ganz nah an der Praxis High-End Software für Kanzleien und Rechtsabteilungen entwickelt. Wir wollen sicherstellen, dass der Anwaltsberuf im Zeitalter der Digitalisierung nicht leidet, sondern noch mehr Freude macht.

LTB: Herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Horwath, und alles Gute!