Smartlaw: Das Startup im Traditionsunternehmen – Interview mit RA Dr. Ralf-Michael Schmidt

von Nico Kuhlmann

Auf Smartlaw.de können individualisierte Verträge und Rechtsdokumente erstellt werden. Das Online-Portal ging im Jahr 2013 live, um rechtssichere Alternativen zu allgemein formulierten und schnell veralteten Musterformularen zu schaffen. Seit Frühjahr 2014 gehört das Unternehmen zum internationalen Wissens- und Informationsdienstleister Wolters Kluwer.

RA Dr. Ralf-Michael Schmidt ist einer der Gründer von Smartlaw und nach dem Zusammenschluss als Head of Legal Digital Formats bei Wolters Kluwer für die Abteilungen Legal Publishing und die Redaktion von Smartlaw verantwortlich.

Nico Kuhlmann: Lieber Ralf, was genau bietet Smartlaw an? Inwieweit unterscheidet sich dies von herkömmlichen Lösungen?

Ralf-Michael Schmidt: Smartlaw ist die Lösung für alle, die Verträge und andere Rechtsdokumente eigenständig aufsetzen und verwalten wollen. Anders als Musterdokumente sind unsere Produkte individuell zugeschnitten und haben Anwaltsqualität. Das heißt, egal ob Arbeits- oder Mietvertrag, ob Vollmacht oder Testament: Wer Smartlaw nutzt, ist rechtlich auf der sicheren Seite.

Unsere Kunden brauchen nichts weiter als ein internetfähiges Endgerät. Sie klicken auf das gewünschte Dokument und beantworten laienverständlich formulierte und erklärte Fragen. Im Hintergrund prüft eine Software, ob die Eingaben plausibel sind und fügt die passenden Inhalte zusammen – juristisch einwandfrei formuliert und stets aktuell. Wir simulieren also ein Gespräch mit einem Anwalt.

Außerdem finden Nutzer im Portal Rechtstipps, Entscheidungshilfen, Checklisten und Anleitungen.

Nico Kuhlmann: Euer Serviceangebot umfasst auch einen sog. Rechtsradar. Was hat es damit auf sich und warum bieten Kanzleien so etwas nicht an?

Ralf-Michael Schmidt: Gesetze und Bestimmungen können sich ändern. Das müssen Unternehmen oder Einzelpersonen, die einen Vertrag geschlossen haben, berücksichtigen. Bei Smartlaw bekommen Abo-Kunden automatisch eine Nachricht darüber, welches ihrer erstellten Dokumente betroffen ist. Auch an Fristen, wie etwa den Ablauf der Probezeit oder das Ende eines befristeten Vertrags, erinnern wir rechtzeitig.

Dieser Service ist nicht einmal in der analogen Welt selbstverständlich. Mir jedenfalls ist keine Anwaltskanzlei bekannt, die von sich aus individuell – und nicht bloß über einen Newsletter – bei jedem einzelnen Dokument über Gesetzesänderungen informiert und den Handlungsbedarf erläutert. Bei uns gehört dieser persönliche Rechtsradar zum Abo-Modell.

Nico Kuhlmann: Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell? Welche Tarife bietet Ihr an?

Ralf-Michael Schmidt: Wir verstehen uns als digitale Rechtsabteilung, weil wir unseren Kunden auf all ihre rechtlichen Fragen die passenden Antworten geben.

Nutzer können Dokumente selbstverständlich einzeln oder im Paket erwerben. Ein Abo bietet allerdings wesentliche Vorteile: Abonnenten erstellen eine unbegrenzte Zahl von Dokumenten und profitieren vom persönlichen Rechtsradar. Darüber hinaus können sie auf alle für sie relevanten Rechtstipps zugreifen. Abos sind bislang in vier Bereichen möglich: Business & Unternehmen, Vermieten & Immobilien, Familie & Privates, aber auch Verticals, wie beispielsweise das Abo für Versicherungs- & Finanzanlagenvermittler. Die Preise liegen zwischen 4,90 € und 49,90 € im Monat.

Nico Kuhlmann: Wie viele eurer Mitarbeiter sind Juristen und wie viele Rechtsdokumente wurden bereits über Euer Portal erstellt?

Ralf-Michael Schmidt: Juristen arbeiten in fast allen Unternehmensbereichen, von der Produktentwicklung über das Legal Publishing bis zur Geschäftsbereichsleitung. Ein Jurastudium ist aber keine Bedingung. Zwei Drittel unserer 24 Mitarbeiter haben einen anderen Bildungshintergrund, und das ist auch sinnvoll: Unsere Kunden sind selbst keine Juristen, sodass wir den interdisziplinären Blick benötigen.

Allein die Zahl der bei uns erstellten Arbeitsverträge ist fünfstellig. Besonders erfolgreich sind wir auch bei Existenzgründern und Jungunternehmern – und das nicht nur, was den Absatz betrifft. Unsere Facebook-Seite „Recht für Gründer & junge Unternehmen“ hat bereits mehr als 20.000 Fans.

Nico Kuhlmann: Wie seid Ihr damals auf die Idee gekommen Smartlaw zu gründen? Was waren bisher die größten Herausforderungen und wie habt Ihr Euch am Anfang finanziert?

Ralf-Michael Schmidt: Wahrscheinlich kennt jeder dieses Problem: Man will sich möglichst schnell, unkompliziert und kostengünstig vertraglich über etwas einigen, aber keine Lösung kann überzeugen. Ich persönlich war in dieser Situation, als ich ins Ausland ging und meine Wohnung für mehrere Monate zwischenvermieten wollte. Aus solchen Erfahrungen heraus haben wir uns damals als Gründerteam zusammengetan.

Die erste große Herausforderung war dann, Kanzleien als Partner zu gewinnen. Heute ist der Begriff Legal Tech in aller Munde. Damals im Jahr 2012 beschränkte sich das Interesse der meisten Anwälte an der IT auf Word und Diktiersoftware. Die zweite Herausforderung bestand darin, Investoren zu finden. Viele potenzielle Geldgeber hatten dem Rechtsmarkt gegenüber aufgrund von vermeintlichen Haftungsrisiken Vorbehalte. Außerdem war unsere Idee vollkommen neu. Die heutigen Newcomer mögen es da leichter gehabt haben. Geholfen haben uns schließlich unter anderem die Business Angels und eine Finanzierungsrunde mit Holtzbrinck Ventures, Senovo und Dr. Florian Langenscheidt.

Nico Kuhlmann: Wie lief die Eingliederung in Wolters Kluwer ab? Was hat sich dadurch für Euch verändert?

Ralf-Michael Schmidt: Anfang 2014 suchten wir nach einem zusätzlichen Investor. Dabei achteten wir darauf, dass dieser Partner strategisch zu uns passt. Das war Wolters Kluwer. Und es passte so gut zusammen, dass wir sogar einen 100%-Share Deal abgeschlossen haben. Mit den Kollegen dort konnten wir Smartlaw weiterentwickeln und unser Netzwerk um Fachautoren in allen Rechtsgebieten erweitern. Darüber hinaus profitieren wir von den Erfahrungen der Schwestermarken, vor allem Legal Tribune Online, Rechtstipps und anwalt24.de. Das Traditionsunternehmen Wolters Kluwer hat vor allem sehr von unserer flexiblen und agilen Produktentwicklung und dem damit verbundenen Startup-Mindset profitiert.

Nico Kuhlmann: Wie sieht Eure Wachstumsstrategie aus? Wollt Ihr weitere Dokumente anbieten oder neue Funktionen einführen?

Ralf-Michael Schmidt: Wir erweitern unser Portfolio stetig. Angefangen haben wir mit zehn Produkten. Mittlerweile bieten wir mehr als 200 an, und das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus bauen wir das Portal aus. Wir haben jede Menge Ideen für weitere Funktionen. Die validieren wir mittels Tests und Kundeninterviews. Sicherlich ist auch die Einbindung von Anwälten ein naheliegendes Ziel.

Nico Kuhlmann: Wohin wird sich der Rechtsmarkt Deiner Meinung nach in den nächsten Jahren entwickeln? Worauf sollten sich Juristen in Bezug auf die digitale Transformation einstellen?

Ralf-Michael Schmidt: Der Bedarf an Rechtsberatung und Verträgen wird allen Prognosen zufolge weiter zunehmen. Parallel dazu schreitet die Digitalisierung auch in unserer Branche voran. Darauf müssen sich Anwälte einstellen, etwa indem sie ihre IT-Kenntnisse vertiefen. Außerdem sollten und werden sie sich weiter spezialisieren, denn Standardfälle erledigt die Technik genauso gut, wie man an Smartlaw erkennt. Auf die Anwälte werden neue Aufgaben zukommen. Andere werden entfallen. Man denke nur an die Entwicklung hin zu selbstfahrenden Autos. Um Bußgelder wird sich dann bald keiner mehr mit dem Staat streiten müssen.

Nico Kuhlmann: Lieber Ralf, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!