Interview mit Prof. Michele DeStefano: LawWithoutWalls – Juristenausbildung der Zukunft

Ein Interview mit Prof. Michele DeStefano über die Juristenausbildung der Zukunft und die Auswirkungen von Legal Technology (Legal Tech) auf die juristische Ausbildung.

English version

Prof. Michele DeStefano, kürzlich von der American Bar Association als „Legal Rebel“ ausgezeichnet, ist die Gründerin von LawWithoutWalls (LWOW) und Professorin für Rechtswissenschaften an der University of Miami. Derzeit hat sie eine Gastprofessur an der Harvard Law School inne.

Der Legal Tech Blog hat Prof. DeStefano zu LWOW erstmals für den deutschen Sprachraum interviewt. LWOW ist ein radikal neuer Ansatz in der Juristenausbildung. Anstelle sich mit abstraktem Wissen auseinanderzusetzen, müssen Studenten bei LWOW eigene Legal Startups entwickeln und gründen, die bestimmte, real existierende Rechtsprobleme mit Hilfe von Legal Tech adressieren und lösen. Hierdurch erlernen angehende Juristen Fähigkeiten, wie Projektmanagement, Marketing, Programmieren, Teamwork, interkulturelle Kompetenz, Feedbackkultur etc., die in der bisherigen (deutschen) Ausbildung zu kurz kommen, zumeist sogar gänzlich fehlen.

Im Interview erklärt Prof. Stefano, warum sie Barrieren bzw. Mauern in der Juristenausbildung aber auch ganz allgemein in der Rechtspraxis u.a. mit der Hilfe von Legal Technology (Legal Tech) niederreißen möchte.

In Ihren eigenen Worten, was ist LWOW und welche Probleme sollen durch LWOW gelöst werden?

Bei LWOW geht es um den Aufbau einer Community und um Innovationen für die juristische Ausbildung und Praxis. Der Schlüssel zur Innovation liegt – wie viele wissen und wie durch vielfältige Forschung bestätigt – in multidisziplinärer Teambildung und kollaborativer Problemlösung.

Einige der Probleme, die LWOW zu lösen sucht, haben eine unternehmerische Ausrichtung, wie z.B. Datensicherheit, neue Dienstleistungsmodelle oder wettbewerbsfähigere Preise. Andere Projekte wiederum haben einen Fokus auf soziale Gerechtigkeit bzw. Gemeinwohlinteressen, wie z.B.

  • Verbesserung des Zugangs bestimmter Bevölkerungsgruppen zur Justiz,
  • Problemstellungen rund um das Thema Immigration und gefährdete Jugendliche und
  • Neuausrichtung von Karriereberatungen an juristischen Fakultäten

Durch das Angehen der oben genannten Herausforderungen werden gleichzeitig auch Probleme gelöst, mit denen viele Anwälte konfrontiert sind: Ausbildung und Qualifizierung. Die Fähigkeiten des erfolgreichen Anwalts im heutigen bzw. zukünftigen weltweiten Rechtsmarkt können aus meiner Sicht kaum in den traditionellen Vorlesungen oder Unterrichtsformaten gelehrt werden. Deshalb brauchen wir andere Formate, wie z.B. LWOW, um u.a. Fähigkeiten wie interkulturelle Kompetenz, Projektmanagement, Technologie, Social Networking und Führungsqualitäten auszubilden bzw. zu verbessern.

Warum haben Sie LWOW initiiert? Gab es eine persönliche Erfahrung während Ihrer eigenen Zeit als Jurastudentin oder Professorin?

Es ist eine Kombination aus meiner Zeit an der Universität und meinen acht Jahren Berufserfahrung. Bevor ich zur Harvard Law School ging, war ich im Marketing beschäftigt. Ich arbeitete bei Leo Burnett, einer Werbeagentur, sowie bei Levi Strauss & Co.

LWOW wurde aus Frustration heraus geboren, wie viele der besten Innovationen der Welt. Wenn man frustriert von etwas ist, dann versucht man, es zu verbessern. Und ich war sehr enttäuscht von den Hierarchien bzw. der Kluft zwischen Jurastudium und Rechtspraxis, zwischen Recht und Wirtschaft allgemein, zwischen Studierenden und Wissenschaftlern und zwischen Hochschulen mit unterschiedlichen Reputationen oder aus verschiedenen Ländern. Die Welt des Rechts ist insgesamt sehr hierarchisch und hat viele Barrieren. Ich wollte diese Barrieren niederreißen.

Aufgrund meiner Berufserfahrung wusste ich um die Bedeutung des fachübergreifenden Austauschs. Außerdem war ich von der Art und Weise der juristischen Ausbildung enttäuscht. Ich kam zu der festen Überzeugung, dass es sowohl für die Berufsausübung von Anwälten als auch für die juristische Ausbildung am besten ist, wenn beide Gruppen (Anwälte und Studenten) zusammenarbeiten. Es musste mehr Austausch und Kommunikation zwischen den beiden Gruppen hergestellt werden. Nicht-Juristen mussten ebenfalls in diesen Austausch eingebunden werden. Diese Überzeugung wurde zur treibenden Kraft hinter LWOW.

Der Rechtsmarkt hat sich nicht mit dem gleichen Tempo verändert wie die übrige Geschäftswelt. Die juristische Ausbildung erfolgt immer noch in der gleichen Weise wie vor 50 Jahren. Es wird immer noch nach der traditionellen „sokratischen Methode“ gelehrt, obwohl die Bedürfnisse von heute völlig anders sind. Unsere Jurastudenten müssen lernen, ihre kreative Energie anzuzapfen. Sie müssen Problemlöser mit Wissen aus den Bereichen Wirtschaft, Projektmanagement, Multitasking und Technologie etc. werden. Sie müssen in der Lage sein, Menschen, die mit ihnen bzw. für sie arbeiten und an die sie berichten, zu motivieren. Das gilt übrigens für Juristen in der ganzen Welt – nicht nur für Jurastudenten.

Wie gut wurde Ihr neues Konzept der juristischen Ausbildung und LWOW an der University of Miami angenommen?

Sehr gut. Ich hatte zwei wichtige Mentoren, die von Anfang an beteiligt und bereits Gründungsmitglieder von LWOW waren, Patricia D. White (Dean & Professor an der University of Miami School of Law) und Peter D. Lederer (ehemaliger Partner bei Baker & McKenzie). Als ich ihnen von meinen Beobachtungen erzählte und ihnen erklärte, was ich alles vorhatte, trieben sich mich an, einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten. Sie haben mir dann auch geholfen, das zu entwickeln, was später die praktischen Grundlagen von LWOW werden sollten: Studenten aus der ganzen Welt in Teams mit multidisziplinären Mentoren zusammenzubringen und mit ihnen juristische Probleme zu bewältigen. Dadurch sollten sie Innovationen für die juristische Ausbildung und Praxis entwickeln. Darüber hinaus sollte eine Gemeinschaft von sog. „Change Agents“ geschaffen werden, deren Networking-Plattform auch für zukünftige Karrierechancen und berufliche Quereinstiegsmöglichkeiten dienen würde.

Trish und Peter (ich nenne sie meine „Pusher“) sind stets eine große Hilfe, wenn ich mit einer neuen Idee um die Ecke komme. Manchmal kritisieren sie sie und raten mir, es noch einmal zu versuchen oder es besser zu machen. Immer wenn jemand versucht, etwas Neues zu schaffen, braucht er Menschen, die ihn antreiben und die sehr offen für neue Ideen sind. Ich kann Ihnen sagen, Trish, ist eine der innovativsten weiblichen Führungskräfte in der juristischen Ausbildung, die ich je kennenlernen durfte. Sie ist sehr offen für Neues und unglaublich kreativ. Ohne ihre und Peters Unterstützung und Tatkraft, wäre LWOW nicht das, was es heute ist.

Ich spüre viel Leidenschaft, wenn Sie über LWOW sprechen. Warum sind Sie so leidenschaftlich, wenn es um das Niederreißen von Barrieren in der juristischen Welt geht?

Ich liebe es, Dinge aufzumischen. Das habe ich immer schon. Und ich liebe es, Menschen zu motivieren. Es ist eine tolle Erfahrung, eine Gruppe von Personen zu beobachten, die zu Beginn noch gänzlich ungeschickt ist und glaubt, sie könne niemals eine so coole Innovation kreieren, wie einige der Teams in der Vergangenheit. Oder eine Gruppe, die glaubt, nicht mit den anderen Teammitgliedern, die zwischen 20 und 80 Jahren alt sein können, auszukommen, geschweige denn, am Ende neue Freunde und Kollegen zu gewinnen. Es ist ein sehr bereicherndes Erlebnis, diese Transformation einer Gruppe von Individualisten zu einem echten Team, das stolz auf das Ergebnis seiner Arbeit ist, zu beobachten.

Ein weiterer Grund für meine Leidenschaft ist, dass ich jedes Jahr außerordentlich viel lerne. Wahrscheinlich lerne ich mehr von meinen Studenten, als sie von mir. Und es ist einfach wunderbar, das kontinuierliche Wachstum von allen, die an LWOW beteiligt sind, zu sehen.

Sehr interessant. Wie funktioniert LWOW genau?

In diesem Jahr bietet LWOW zwei verschiedene Programme an: LWOW Original, bei dem wir uns persönlich im Januar und Ende April treffen. Im Übrigen finden alle Treffen virtuell statt. LWOW X ist ein ausschließlich virtuelles Programm. Beide Programme beginnen mit einem Kickoff-Event (mit Mini-Hackathon und Innovationswettbewerb). Während der Auftaktveranstaltung analysieren wir die Persönlichkeitsprofile der Teilnehmer und veranstalten sog. Teaming-Übungen, um den Teamzusammenhalt zu verbessern. Die Teams bestehen aus zwei bis drei Jura-/BWL-Studenten sowie einem akademischen und wirtschaftlichen Mentor, einem Unternehmer sowie zwei Anwälten (sowohl Inhouse als auch aus Kanzleien).

Den so gebildeten Teams werden bestimmte Themen bzw. sog. Challenges zugeordnet. Die Themen können sowohl aus der juristischen Ausbildung als auch aus der Praxis kommen. LWOW Original hat einen eher geschäftlichen bzw. kommerzielle Fokus haben, geht aber auch auf Themen der sozialen Gerechtigkeit ein. Das Programm LWOW X konzentriert sich vollständig auf das Thema „Social Entrepreneurship“. In diesem Jahr sponsern Unternehmen, wie Microsoft, United Lex, Lockheed Martin und Diversity Lab, Themen und Challenges, um Probleme anzugehen, die diese Unternehmen konkret haben. Im Januar werden die Challenges jeweils an die Teams zugewiesen. Deren Aufgabe ist es, ein eigenständiges Problem innerhalb dieser Challenge für ein bestimmtes Publikum zu identifizieren. Die Themen sind hierbei bewusst breit gefächert, um das Team zur Problemfindung zu animieren, da die besten Problemlöser zumeist auch die besten Problemfinder sind. Die Aufgabe des Teams ist es, die identifizierten Probleme durch die Entwicklung eines Businessplans für ein juristisches Start-up (Legal Startup) zu lösen.

Wer kann sich bei LWOW bewerben?

Studenten, die an einer der teilnehmenden 30 juristischen Hochschulen und Business Schools studieren. Unter bestimmten Umständen lassen wir auch Studenten von anderen Hochschulen zu. Wir hoffen, dass wir das LWOW X Social Entrepreneurship-Programm für Studierende aus der ganzen Welt im Jahr 2017 öffnen können. Aber wir sind immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Sponsor, der das ermöglichen würde.

Aus dem deutschsprachigen Raum hatten wir bislang etwa 20 Studenten von den teilnehmenden Universitäten in Hamburg (Bucerius Law School), Leipzig (Universität Leipzig) und St. Gallen (Universität St. Gallen Law and Business School). Die deutschen und schweizerischen Partner von LWOW waren für den Erfolg von LWOW von zentraler Bedeutung. An der Universität St. Gallen fanden dank der Unterstützung eines LWOW-Mentors, Herrn Prof. Leo Staub, zwei Auftaktveranstaltungen statt. Herr Prof. Hendrik Schneider (Universität Leipzig) hat uns angetrieben, das Thema Compliance auf die Agenda zu setzen. Er startete das Compliance Elliance Virtual Education-Programm zusammen mit der University of Miami und das Compliance Elliance Journal. Im vergangenen Jahr führten wir eine LWOW X-Programm durch, das nur dem Thema Compliance gewidmet war. Die Probleme und Challenges wurden von verschiedenen Chief Compliance Officern von S&P 200-Unternehmen entwickelt, die als Fellows für das Ethics Resource Center (heute ECI) tätig waren. Das Gewinnerteam durfte auf dem jährlichen Treffen des ERC ihr Projekt präsentieren.

Wie sieht Ihr idealer Kandidat aus? Erwarten Sie technologisches Vorwissen (Programmierkenntnisse etc.) für die Teilnahme an LWOW?

Unser idealer Kandidat ist jemand, der energisch, kreativ, mutig, reflektiert ist und etwas verändern möchte. Es ist definitiv ein Pluspunkt, wenn der Bewerber technologisches Vorwissen hat. Das ist aber keine notwendige Voraussetzung. Die meisten unserer Studenten sprechen drei bis vier Sprachen. Viele haben bereits selbst Startups gegründet, leiten eine Organisation oder haben selbst etwas Außergewöhnliches geleistet. Die meisten unserer Studenten haben ein kreatives Talent: Sie spielen Geige, zeichnen oder haben sich als Sportler hervorgetan. Alle haben eine Leidenschaft neben Beruf und Studium.

In der Regel sind die Teams bunt gemischt. In jedem Team gibt es jemanden, der zeichnen oder das Front- bzw. Backend einer Website erstellen kann. Es gibt Personen mit Finanzexpertise und Marketingkenntnissen. Es ist erstaunlich, wie LWOW es immer wieder schafft, die Stärken der Teilnehmer – vor allem ihre kreativen Stärken – anzuzapfen, die während der juristischen Ausbildung an den Hochschulen häufig brachliegen.

Einer der Gründe, warum wir mit LWOW begonnen haben, war, dass man immer hörte: Business School-Studenten sind diejenigen mit neuen Plänen oder neuen Geschäftsideen, nicht Jurastudenten. Ich kann Ihnen sagen, das ist völlig falsch. Und das Beste an LWOW ist, dass es Jurastudenten und BWL-Studenten zusammenbringt, so dass diese voneinander lernen können.

Werden die LWOW-Teilnehmer während des Programms unterrichtet?

Im Allgemeinen wollen wir unsere Studenten nicht „unterrichten“. Wir wollen zusammen lernen.

Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Die meisten Jurastudenten sind es nicht gewohnt, dass sie Feedback erhalten. Ich versuche den LWOW-Teilnehmern konstantes und umgehendes Feedback zu geben. Das Feedback ist nicht immer positiv, aber immer wohl überlegt. Die meisten Jurastudenten, zumindest die in den USA, erhalten während ihrer dreijährigen Ausbildung kaum Feedback, das ihnen helfen könnte, sich zu verbessern. Im wahren Leben und während der Arbeit erhalten wir aber ständig Feedback von Menschen, sei es durch (non-verbale) Mimik, durch Verbesserungen in einem Schriftsatz oder dadurch, dass wir direkt gesagt bekommen, dass etwas gut oder eben nicht so gut war. Durch das Feedbackgeben „unterrichten“ wir die Studenten, die an LWOW teilnehmen.

Ich „unterrichte“ noch auf einem anderen Wege: Aufgrund meiner Erfahrung im Bereich Marketing verbringe ich viel Zeit damit, den Studenten dabei zu helfen, dass Problem zu identifizieren und für eine Zielgruppe aufzubereiten. Was ist das Problem und wer hat es? Es muss einen Bedarf da sein. Simon Sinek schrieb ein wichtiges Buch mit dem Titel “Start with Why” und wir treiben unsere Studenten an, immer mit dem „warum“ zu starten.

Erzählen Sie uns von den sog. Projects of Worth.

Während des LWOW-Programms muss jedes Team ein Problem der juristischen Ausbildung oder der Praxis identifizieren und hieraus ein Project of Worth entwerfen. Das Project of Worth enthält einen Produktsprototypen und Businessplan für ein Legal Startup, das ein bestimmtes Problem löst. Wir nennen sie Projects of Worth aufgrund des Transformationsprozesses, den die Studenten und Mentoren während der vier Monate durchlaufen. Dieser Transformationsprozess ist, das was eigentlich zählt. Die Projects of Worth werden auf dem sog. Conposium, eine Art Kreuzung von „American Idol“ und „Dragons Den“, vor vier Richtern (einschließlich Risikokapitalgebern) präsentiert. Die Richter „grillen“ die Teams regelrecht. Etwa 10 bis 20% der Teams entwickeln gute und tragfähige Legal Startups. Aber alle Teams stellen ein Project of Worth vor, auf das sie zu Recht stolz sein können.

Was ist das Ergebnis für die Teammitglieder?

Sie lernen viele wichtige Fähigkeiten: Sie lernen, anders zu kommunizieren. Sie lernen, kulturelle Unterschiede und Fähigkeiten zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Sie lernen, wie man präsentiert, auch wenn die gesamte Arbeit nur virtuell stattfindet. Sie lernen, wie man neue Technologien gemeinsam nutzen kann. Sie lernen Projektmanagement und wie man führt. Sie ler-nen viel über den sich ändernden Rechtsmarkt. Am wichtigsten ist hierbei aber, dass sie lernen, wie man in Teams zusammenarbeitet.

Die Teams, die am meisten Schwierigkeiten haben, sind im Nachhinein die, die am Meisten lernen. Warum? Gerade wegen dieser Schwierigkeiten: Wenn sie auf die Augenblicke in ihrem Leben zurückblicken, in denen sie am Stolzesten auf sich selbst waren, sind dies die, in denen sie sich mit Problemen konfrontiert gesehen haben und trotzdem Erfolg hatten. Dann blicken wie zurück und sagen: „Ich habe es geschafft!“ Und Sie können lauthals lachen. Und ich kann Ihnen sagen, jedes Team muss einige Kämpfe überstehen, bevor alle auf dem Conposium lauthals lachen können.

Sie erwähnten die Feedback-Kultur bei LWOW. Wie ist das Feedback, das Sie von den Teilnehmern erhalten?

Fast 100% der Teilnehmer sagen, dass LWOW messbar ihre Kommunikations- und Präsentationsfä-higkeiten, kulturelle Kompetenz und Teamfähigkeit verbessert hat. Die Teilnehmer empfehlen LWOW nachdrücklich weiter. Wir hören Sätze wie: „Beste Erfahrung meines Lebens“, „LWOW hat mich verändert“, „hat mir geholfen, meinen Platz im Leben zu finden“, „hat mir geholfen, mich daran zu erinnern, wer ich wirklich bin“ und „half mir herauszufinden, wie ich ich selbst sein kann“.

Wäre es wünschenswert, wenn alle juristischen Fakultäten wie LWOW „unterrichten“ würden?

Nein. Nicht alle juristische Fakultäten sollten und können wie LWOW „unterrichten“. Ich würde aber sagen, dass alle juristischen Fakultäten zumindest eine mit LWOW vergleichbare Erfahrung für ihre Studenten anbieten sollten. Ein Programm wie LWOW kann einen wichtigen Beitrag zur Ausbildung von Juristen leisten. LWOW ergänzt die Unzulänglichkeiten der sokratischen Lehrmethode mit den Anforderungen von Morgen. Die Welt hat sich verändert.

Sie sagten, die „Welt hat sich verändert“. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe, warum sich der Rechtsmarkt verändert hat und verändern wird?

Der wichtigste Grund ist Technologie. Technologie verändert alle Bereiche unseres Lebens und hat auch bereits den Rechtsmarkt verändert. Technologie wird sogar die Art und Weise ändern, wie wir eine Pizza bestellen. Es ist nicht überraschend, dass Technologie die Art und Weise ändert, wie Rechtsdienstleistungen erbracht werden. Technologie ist der Grund für einige Zerfallserscheinungen, die schon jetzt zu beobachten sind. Es ist der Grund, warum Unternehmen, wie LegalZoom, RiverviewLaw oder Rocketlawyer, florieren, da sie juristische Dienstleistungen zu viel niedrigeren Kosten online anbieten können.

Ein weiterer Aspekt der rasanten technologischen Entwicklung sind die entstehenden Datenmengen, die uns helfen werden, juristische Ergebnisse vorherzusagen. Ross Intelligence, ein von Dentons NextLaw Lab unterstütztes Legal Startup, entwickelt eine App, die in der Lage sein soll, mit Hilfe von IBMs Watson juristische Fragen in Umgangssprache zu verstehen und zu beantworten. Das ist derzeit noch Zukunftsmusik. Meiner Meinung nachsollten wir vor Technologie keine Angst haben, sondern sollten sie mit offenen Armen begrüßen. Technologie wird Anwälte besser und wissender machen, so dass diese für ihre Klienten noch nützlicher sein können.

Ein zweiter Grund ist aus meiner Sicht, dass Nicht-Juristen viele der Tätigkeiten übernehmen werden, die einmal als exklusives Zuständigkeitsgebiet von Anwälten gegolten haben. Die Realität ist (insbesondere im Hinblick auf den UK Legal Services Act), dass immer mehr Dienstleistungen, die wir als „unsere“ angesehen haben, von Nicht-Juristen durchgeführt werden und meines Erachtens sogar sollten. Vielen Kanzleien sind derzeit nicht besorgt. Und ich glaube es ist wichtig zu sagen, dass Großkanzleien weiterhin bestehen werden. Aber Großkanzleien werden von den technologischen Entwicklungen betroffen sein. Viele bemerken die Veränderungen bereits jetzt. Viele Dienstleistungen, die in der Vergangenheit von Kanzleien erbracht wurden, wurden an Firmen, wie z.B. UnitedLex, outgesourct oder von Anbietern wie LegalZoom übernommen.

Eine weitere treibende Kraft, die den weltweiten Rechtsmarkt verändert und neu gestaltet, ist die Globalisierung. Die Welt ist in den letzten Jahren viel globaler und komplexer geworden. Ein Teil dieser Globalisierung wird durch Technologie angetrieben. Globalisierung bedeutet bspw., dass Ereignisse in Großbritannien sich unmittelbar auf die USA auswirken. Deshalb müssen Anwälte wissen, wie man in interkulturellen Teams arbeitet und wie man Technologie verwenden kann, um mit Menschen auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Die Globalisierung verändert auch wie wir über Dienstleistungen im Allgemeinen denken und wird schließlich, so meine Überzeugung, unsere Definition von Rechtsdienstleistungen insgesamt ändern.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.


Das Interview wurde auf Englisch geführt und anschließend übersetzt. Den Originaltext finden Sie nachfolgend:

English version:

Recently recognized by the ABA as a Legal Rebel, Prof. Michele DeStefano is the founder of LawWithoutWalls (LWOW) and professor of law at the University of Miami. This year she is a visiting professor at Harvard Law School teaching a course on the changing legal profession and also helping lead activities at Harvard Law School’s Center on the Legal Profession. As a professor of law, she researches and writes about the growing intersections between law, business, and legal innovation.

In your own words, what is LawWithoutWalls (LWOW) about and what problems does it seek to solve?

LWOW is about building a community and innovation in both legal education and practice. The key to innovation is – as many know and proven out there by a lot of research – multidisciplinary teaming and collaborative problem solving.

Some of the problems that LWOW seeks to solve have a corporate focus like those involving data security, new service models, competitive pricing. Other problems that LWOW seeks to solve have a social justice/public interest focus like

  • Increasing vulnerable clients population’s access to justice,
  • Solving legal issues around immigrants or at-risk youth
  • fixing law schools career services

In the process of solving those problems we solve a problem faced by all lawyers – skills training. The skills of the successful lawyer in tomorrow’s or today’s global legal market place are not able to be taught in traditional courses or classroom formats. Therefore we need other formats, like LWOW, to hone skills like culture competency, project management, technology, social networking and leadership.

Why did you initiate LWOW? Was there some kind of personal experience during your time as a law student or professor?

It is a combination of my time at law school and my eight years of working experience before I went to law school. I was in marketing. I worked at Leo Burnett, an advertising agency, and also Levi Strauss & Co. LWOW was born out of frustration. And a lot of the best innovations in the world are build out of frustration. When you get frustrated with something you seek to solve it. And I was very frustrated with the hierarchies between law school and law practice, between law and business, between students and academics and between schools of different rank or from different countries. The world of law is very hierarchical and has many barriers. And I wanted to break those down.

From my business experience, I understood the importance of multidisciplinary interaction. I was also frustrated by the way legal education was being provided to students. I had a firm belief that the best way to change both the way lawyers practice and the way education was being taught was to make the groups work together. Have more interaction and communication between the two – and include non-lawyers in the mix. That was essentially the impetus behind LWOW.

The legal market place has not changed with the same pace that the business world has been changing. Legal education was is still taught in the same way that it had been taught 50 years ago, in the traditional Socratic Method, but the needs of today are completely different. Our law school students need to tap into their creative energy. They need to be able to be problem solvers with knowledge in business, project management, multitasking and technology. They need to be able to motivate people that work with them, for them and to which they report. That is true for lawyers all over the world – not just for law school students.

How well was your new approach to legal education and LWOW perceived at the University of Miami?

Very well. I had two great mentors that are and have been involved since the beginning, two other founding members of LWOW, Patricia D. White (Dean & Professor at the University of Miami School of Law), and Peter D. Lederer (former  partner at Baker & McKenzie). When I expressed my frustrations and spouted out all that I wanted to do, they pushed me to bring them a proposal and they helped me a to develop what essentially became the “nuts and bolts” of LWOW: putting students from all over the world on teams with multi-disciplinary mentors and having them tackle law’s problems and in the process create innovations in legal education and practice, and build a community of change agents that would serve as a networking platform for future job prospects and lateral moves.

Trish and Peter, (I call them my “pushers”) are always great when I come up with a new idea. They critique it. They urge me to try again or make it better. When anybody tries to set out to create something new, you need people that push you and also people that are very open to new ideas. I can tell you my Dean, Trish, is one of the most innovative female leaders in legal education that I have ever known. She is completely open and creative and without her and Peter’s support and pushing, LWOW would not be what it is today.

I sense a lot of passion when you talk about LWOW. Why are you so passionate about breaking down walls in the legal world?

I love shaking things up. I always have. And I love motivating people. It is such a beautiful experience to watch a group of individuals starting, completely awkward, completely believing they can never create an innovation as cool as some of the teams have in the past, completely believing they are not going to be able to get along with the members of the team, let alone at the end be friends and colleagues with people aging from 20 to 80. To watch that transformation from a group of individuals to the creation of a real team that is so proud of the end work product is one of the most rewarding things I have ever experienced.

Another reason for my passion is that I learn so much every year. Likely, I learn more from my students than they do from me. And it is so wonderful to see the continual growth of everybody who is involved in LWOW.

Very interesting. So how does LWOW work exactly?

This year, LWOW offers two different programs: LWOW Original where we meet in person in January and end of April but interact virtually in the months between. LWOW X where we meet only virtually. Both programs start with a kick-off (including a mini hackathon and competition where we develop mini innovations). During the kick-off event we take personality tests and teaming exercises to help the teams bond The teams are comprised of 2 to 3 law/business students with an academic mentor, entrepreneurial mentor, an in-house legal mentor, a law firm legal mentor, and a business mentor.

We essentially assign the team topics or challenges. The topics are related to legal education or practice. For LWOW Original, the topics range from having a corporate or commercial focus to those that are focused on social justice. For LWOW X, the topics will be completely focused on social entrepreneurship. This year, corporations, like Microsoft, United Lex, Lockheed Martin, and Diversity Lab, are sponsoring topic challenges – based on the problems their organizations’ face. In January, we assign these challenges to the teams. Their charge is to find a very discrete problem within this challenge for a discrete audience. The topics are broad in order to engage the team in the difficult exercise of problem finding because the best problem solvers are the best problem finders. The task is to solve the identified problem by developing a business plan for a legal start-up.

Who is able to apply?

Students from one of the participating 30 law and business schools. In certain circumstances we let students apply whose school is not participating. In 2017, our hope is open up the LWOW X social entrepreneurship program to students from all over the world regardless of institution. But we are still in search of a sponsor which would enable that.

From German speaking countries, we had about 20 students so far from participating law schools in Hamburg (Bucerius Law School), Leipzig (University of Leipzig) and St. Gallen (University of St. Gallen Law and Business School). The German and Swiss partners of LWOW have been integral to the success of LWOW. The University of St. Gallen, courtesy of a mentor and colleague, Prof. Dr. Leo Staub, has hosted two kick-off events. Prof. Dr. Hendrik Schneider (University of Leipzig) pushed us to try something around compliance. He developed the amazing compliance elliance program with the University of Miami and the Compliance Elliance Journal. Last year we ran a LWOW X program only dedicated to compliance. The problems and challenges were developed by Chief Compliance Officers of S&P 200 corporations who serve as fellows for the Ethics Resource Center (now called ECI). The ERC provided the winning team the prize of presenting at the annual meeting in July.

How does your ideal candidate look like? Do you need a technology and coding background for LWOW?

Our ideal candidate is someone who is energetic, creative, keen to change, bold and reflective. It is a definite plus if applicants should have some type of technology background but not necessary. Most of our students speak three to four languages. Most of our students have created start-ups on their own, led organisations or done something outstanding. Most of our students have a creative talent whether they are violinist, they draw or they are Goldstar athletes. They have some type of passion other than school or work.

In general, the teams are very diverse. On each team there is somebody that can draw or create the front- or backend of a website. There is someone with financial expertise and someone who knows something about marketing. It is amazing how LWOW taps into the strength of students – especially the creative strengths that law school fails to leverage.

One of the reasons why we started LWOW was that you always hear that business school students are the ones who have the ability to create new ideas or new businesses – not law school students. I can tell you that this is totally wrong. And the best thing about LWOW is that it enables law school students and business school students to work together and learn from each other.

Will the LWOW participants be taught during the program?

Generally, we do not teach our students. We learn together. For example, one thing I do that is unfamiliar for most law school students is that I critique. I try to push students by giving them constant on-the-spot feedback. The feedback is not always positive but always thoughtful. Most law school students, at least in the US, can go through law school the entire three years without getting any real type of on the spot feedback that can help them improve. And in the real world the people you work with give you on the spot feedback every day by their facial expression, by marking up a memo that you write, by verbally telling you that you did something well or not so well. That is how I “teach” students.

The other way that I “teach” is with my marketing background. I spend a lot of time working with them on identifying the problem and honing their target audience. What is the problem and who has it? There has to be a need. Simon Sinek wrote a great book called “Start with why” and we really push our students to start with the “why”.

Tell us about the so-called Projects of Worth.

During the LWOW program the teams must identify a problem in legal education or practice and create a Project of Worth which includes a prototype and business plan for a legal start-up that solves a specific problem. We call them Projects of Worth because of the transformation that the students and the mentors go through during the four months. The process and transformation is what really matters. The Conposium, where the projects are presented, is a bit like the “American Idol” meets “Dragons Den” during which four judges (including venture capitalists) Q&A the teams. About 10 to 20% of the teams come up with really great and viable legal start-ups. But all teams come up with Projects of Worth about which they can be so proud.

 What is the outcome for the team members?

They learn many important skills: they learn how to communicate differently, they learn to recognize cultural and skill differences and adapt accordingly. They learn how to present together even though the work virtually for four months. They learn how to use together new technologies. They learn how to project manage, how to lead. They learn a ton about the changing legal marketplace and most importantly, they learn how to collaborate and team.

The teams that struggle the most actually get the most out LWOW. Why? Because of the struggle; If you look back at the times you are most proud in your life it is when you face diversity and you have done it well. Then you can look back and say: I made it up the hill. And you can roar. And I can tell you, every team faces some type of battle, and at the Conposium, everybody is roaring.

You mentioned the feedback culture at LWOW and the feedback you give the students. What is feedback that LWOW students gave to you?

Almost 100% of the participants say that LWOW measurably improves communication and presentation skills, cultural competency and teaming. Participants strongly recommend LWOW to others. What we hear is “it is the best experience of my life“, “this changed me“, “this helped me to find a place“, “helped me to remember who I am” and “helped me figure out how to be me“.

Would it be desirable if all law school classes would “teach” like LWOW?

No. Not all law school classes should be “taught” like LWOW. I would say that all law schools should offer an LWOW-like experience for students. There is so much value LWOW can add. LWOW is filling the gaps around the Socratic Method, with the needs of today. The world has changed.

You said the “world changed”. In our opinion, what are the main reasons why the legal market has changed and will change?

First and foremost, one of the most important underlying trend that has changed the legal market place and changed the way we do everything is technology. Technology is even changing the way we get our pizza. It is not surprising, therefore, that technology is also changing the way legal services are provided. It is the reason for a lot of the disaggregation we see. It is the reason why we see companies like LegalZoom, RiverviewLaw or Rocketlawyer prospering. They provide legal services online at a much lower cost.

Part of the rise of technology is the amount of Data that will help us to predict legal outcomes. Ross Intelligence, which is backed by Denton’s NextLaw Lab, is developing a legal advisor app which will be able to use natural law language questions using IBM’s Watson. That’s still in the future. But I don’t think technology is something we should be scared of. It is something we should embrace. Technology will make lawyers better, more knowledgeable and ultimately more valuable to their clients.

Second, non-lawyers do a lot of the things that we used to consider lawyer’s purview. The reality is with the UK Legal Services Act, more and more services that we used to consider “ours” as lawyers will be done by non-lawyers. Frankly, I think they should. A lot of the law firms out there that are not that worried at the moment. And it is true, Big Law is not going to die. But Big Law will be impacted – it has already felt some changes because a lot of the things they used to do and could charge money for are now done by legal process outsourcers like UnitedLex or online providers, like LegalZoom.

The other huge force that is changing and reshaping the global market for legal services is globality. The world has gotten exceedingly more global – and more complex. And part of this globality is driven by technology. But globalization means that what is happening over in the UK is going to impact what is happening in the US. This is why lawyers need to know how to work in cross cultural teams, how to use technology to collaborate with people around the world. This globalization is changing the how we think about service in general and eventually will change our definition of legal services.