Legal Tech-Unternehmen attraktiver als Großkanzlei? – Der Wechsel von Latham-Partner Marcus Funke zum Consumer Claims Purchasing-Unternehmen RightNow (Teil 1)

Nach mehr als siebzehn Jahren als Rechtsanwalt in internationalen Großkanzleien und fast einer Dekade als Partner bei Latham & Watkins in Frankfurt verstärkt Prof. Dr. Marcus C. Funke, LL.M. (Chicago) seit April 2020 das Management der RightNow Group. Ein Wechsel, der sinnbildlich für die zunehmende Bedeutung von innovativen Geschäftsmodellen im Rechtsdienstleistungsmarkt und in unserem Rechtssystem steht. 

Die RightNow Group geht zurück auf die 2016 gegründete Geld-für-Flug GmbH, die sich der Durchsetzung von Rückzahlungsansprüchen gegenüber Fluggesellschaften verschrieben hatte und den Reisekunden eine Sofortauszahlung ermöglichte. So verhalf sie Rechtssuchenden in einer für den Einzelnen aussichtslos erscheinenden Situation in nur 24 Stunden zu der ihnen rechtmäßig zustehenden Geldsumme. Die Ansprüche gegenüber den Fluggesellschaften klagte (und klagt bis heute) Geld-für-Flug dann gebündelt und mit beinahe hundertprozentiger Erfolgsquote ein.

Nunmehr unter dem Dach der RightNow Group hat das seither stetig wachsende Team in wenigen Jahren weitere Angebote kreiert, die – aufbauend auf der Idee zu Geld-für-Flug – die verbraucherfreundliche Durchsetzung von Rechtsansprüchen zum Ziel haben: Recht bekommen per Mausklick – einfach, schnell und transparent. Kern des Geschäftsmodells ist dabei stets der auf dem deutschen Markt bisher einzigartige sogenannte „Consumer Claims Purchasing-Ansatz“, also der Ankauf von Verbraucherforderungen auf Basis einer individuellen Risikoprüfung. Die Kunden bekommen hierdurch sofort ihr Geld und können es in jedem Fall behalten. Für die Durchsetzung ihres Anspruchs tragen sie damit kein weiteres Risiko mehr.

Das Angebotsspektrum von RightNow umfasst mittlerweile neben dem Bereich Reise und Mobilität, worunter etwa Ansprüche aufgrund von Stornierungen und Verspätungen bei Flügen und Bahnen fallen, auch Ansprüche gegen Versicherungen bei Kfz-Schäden, Erstattungen bei falsch abgerechneten Mietnebenkosten sowie künftig auch vielfältige weitere Produkte – ein Blick auf die Seite von RightNow kann sich für Rechtssuchende lohnen.

Der Gewinn des prominenten Frankfurter Rechtsanwalts Marcus Funke, der das Team von RightNow schon seit den ersten Tagen bei seinen Projekten unterstützt hat, bedeutet nun den nächsten Schritt in Richtung Wachstum für das Unternehmen.

Marcus, was hat Dich zu dem Wechsel bewogen und welche Ziele steckst Du Dir und dem Unternehmen als neuer Chief Legal & Strategy Officer?

Marcus Funke: Über mein Engagement an der 2011 gegründeten EBS Law School, an der ich heute auch als Honorarprofessor tätig bin, habe ich Benedikt Quarch, einen der Mitgründer von RightNow, schon während seiner Studienzeit kennengelernt. Darüber ergab es sich, dass er mich für die erste Finanzierungsrunde von Geld-für-Flug im Jahr 2017 angesprochen hat, die ich dann juristisch begleitet habe. Von der innovativen Idee zu Geld-für-Flug und dem herausragenden Team der drei Gründer war ich sofort begeistert. Auch in meiner Tätigkeit bei Latham & Watkins habe ich eine Leidenschaft für Technologiethemen entwickelt, im Zuge derer ich etwa den Börsengang von Trivago an der Nasdaq in New York als Issuer’s Counsel begleitet habe.

Aus der ersten Finanzierungsrunde für Geld-für-Flug wurden später eine weitere und mit den Gründern Benedikt, Torben und Phillip habe ich mich so gut verstanden, dass ich die Entwicklung des Unternehmens fast von Anfang an begleitet und unterstützt habe. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich irgendwann noch tiefer einsteigen wollte. Diesen Schritt bin ich Anfang 2020 gegangen. Meine neue Position erlaubt es mir nun, mein juristisches Wissen, meine Erfahrung und mein Netzwerk noch intensiver bei RightNow einzubringen. Meine Aufgaben erstrecken sich dabei aber nicht nur auf juristische Fragen im engeren Sinne – und das macht ganz entscheidend den Reiz aus. Spannend an meiner neuen Tätigkeit finde ich gerade, dass ich mich etwa auch mit der Entwicklung neuer Produkte auseinandersetzen und so meine unternehmerische Ader noch mehr ausleben kann. 

Für die Zukunft wollen wir Verbrauchern helfen, in noch mehr Bereichen Ansprüche durchzusetzen, die sie selbst aufgrund zahlreicher Hürden nicht verfolgen würden. Außerdem werden wir unsere Angebote weiter internationalisieren und unsere Prozesse mithilfe strategischer Planung und durch Algorithmen noch besser skalierbar machen, also noch mehr Fokus auf das „Tech“ in Legal Tech legen.

Benedikt, Du als einer der Mitgründer hast zuvor den Legal-Bereich allein verantwortet. Wie habt Ihr die Aufgaben neu verteilt?

Benedikt Quarch: Wir haben weiterhin mit Phillip, Torben und mir drei Geschäftsführer, wobei unser Management-Team neben unserem CTO und unserem CMO nun um Marcus als Chief Legal & Strategy Officer ergänzt worden ist. 

Dabei haben wir die Aufgaben so aufgeteilt, dass wir einmal unter den Bereich Legal & Strategy rechtliche und unternehmerische Fragen fassen, die die Unternehmensentwicklung als solche betreffen. Hierunter fallen etwa die Zusammenarbeit zwischen uns und unseren Partnerkanzleien, die die Ansprüche unserer Kunden vor Gericht einklagen, aber auch Fragen hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur und Finanzierung. Das übernimmt bei uns jetzt primär Marcus. Daneben verantworte ich weiter den Bereich Legal & Operations, wobei es insbesondere um das operative Geschäft und die rechtlichen Fragen hinsichtlich unserer Produkte geht, also aktuell etwa: Welche Ansprüche haben Reisende bei Flugausfällen aufgrund von Corona, in welcher Höhe und wie kann man sie durchsetzen? Als Legal Tech-Unternehmen leben wir aber davon, dass unser Team sehr gut zusammenarbeitet. Hier müssen alle Aufgabenbereiche perfekt ineinandergreifen – nur so können unsere Produkte funktionieren.

Hat sich schon etwas verändert, seitdem Marcus an Bord ist und in welche Richtung steuert ihr für die Zukunft?

Benedikt Quarch: Merkbar verändert hat sich seit dem Wechsel von Marcus schon einiges. Wir legen seither einen noch stärkeren Fokus auf eine langfristige Unternehmensstrategie, mit der wir für die Zukunft gut gerüstet sind.  In diesem Zuge wurden – bereits vor dem offiziellen Wechsel von Marcus zu uns – etwa all unsere Angebote auf der RightNow-Homepage [https://rightnow.de/de/]zusammengeführt, um unseren Nutzern als die zentrale Verbraucherrechteplattform eine Anlaufstelle bei allen rechtlichen Fragen und Schwierigkeiten zu bieten.

Außerdem haben wir keinen exklusiven Fokus auf reiserechtliche Themen mehr, sondern erweitern unsere Angebotssparte stetig auf alle denkbaren Bereiche, in denen Verbraucher – sei es weil sie sich strukturell überlegenen Unternehmen gegenübersehen, oder weil sich die Durchsetzung kleinerer Anspruchssummen aufgrund der mit dem herkömmlichen Rechtsweg verbundenen Schwierigkeiten und des Kostenrisikos nicht lohnt – Unterstützung benötigen können. In diesem Zuge wollen wir unseren Consumer Claims Purchasing-Ansatz, nach dem unsere Kunden ohne lange prozessieren oder Kostenrisiken tragen zu müssen, innerhalb von nur 24 Stunden an ihr Geld kommen, auf neue Bereiche ausweiten. So drehen wir die Kräfteverhältnisse bei der Anspruchsdurchsetzung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher um. 

Diesen Schritt gehen wir aus unternehmerischer Sicht gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Krise, in der der Reisemarkt unter den Auswirkungen stark leidet und wir uns so – unabhängig von etwaigen Staatshilfen für insolvenzbedrohte Fluggesellschaften – wirtschaftlich stabil halten können.

Fun Fact: Auch die Bezeichnung „Consumer Claims Purchasing“ ist ein Neologismus zur Beschreibung der Angebote von RightNow, der von Marcus geprägt wurde.

An welchem Produkt arbeitet ihr gerade konkret?

Benedikt Quarch: Erst jüngst haben wir ein Produkt für die Erstattung falsch abgerechneter Mietnebenkosten auf den Markt gebracht. Nach allen zur Verfügung stehenden Statistiken ist stets ein Großteil der Nebenkostenabrechnungen falsch – manche gehen gar von mehr als 80 % aus. Hier wollen wir den Mieterinnen und Mietern in Deutschland helfen, ihre gesetzlichen Rechte auf eine korrekte Nebenkostenabrechnung durchzusetzen.  

Marcus, mit Dir hat die RightNow Group einen weiteren sehr erfahrenen und bestens vernetzten Juristen gewonnen. Wie kommt es, dass Legal Tech-Unternehmen immer attraktiver als Arbeitgeber für Juristinnen und Juristen werden?

Marcus Funke: Für mich hat der Schritt Sinn ergeben, weil ich viel Spaß an der Arbeit am Unternehmen RightNow habe und das Team schon sehr lange kenne. Außerdem gibt mir die Tätigkeit die Möglichkeit, einen noch abwechslungsreicheren beruflichen Alltag mit einem bunten Mix aus rechtlichen und unternehmerischen Aufgaben zu haben. Auch bei Legal Tech-Unternehmen gibt es viele rechtliche Fragen und Aufgaben, für die Juristen gebraucht werden. Schön ist es, dass man auch unternehmerisches Denken einbringen und etwas aufbauen kann.. 

Könnt Ihr angehenden oder jungen Juristinnen und Juristen eine berufliche Station bei einem Legal Tech-Unternehmen ans Herz legen?

Marcus Funke: Wenn ich mich frage, was ich meinem 25 Jahre jüngeren Ich raten würde: Ich kann jedem empfehlen, sich eingehend mit dem Thema Programmieren zu befassen. Hier ein solides Grundverständnis mitzubringen, wird im beruflichen Alltag der Zukunft mit Sicherheit von Vorteil sein. 

Schon zu meiner Zeit als Student war es so, dass etwa betriebswirtschaftliche Kenntnisse im juristischen Studium zu kurz kamen. Sie sind aber für die Praxis als Rechtsanwalt in beinahe jedem Bereich unverzichtbar. Für die Zukunft sollte auch ein gutes technisches Verständnis zum juristischen Handwerkszeug gehören. Es gibt eine klare Erwartungshaltung von Mandanten, wonach diese für bestimmte Aufgaben, die man auch standardisieren und automatisieren kann, nicht mehr viele Arbeitsstunden von Anwälten bezahlen wollen. Diese Aufgabenbereiche müssen – das erfordert allein schon der Wettbewerb unter den Kanzleien – automatisiert und somit effizienter gestaltet werden. Wer das frühzeitig umsetzt, wird die Nase vorn haben.

Benedikt Quarch: Ich kann darüber hinaus auch ganz klar empfehlen, sich Legal Tech-Unternehmen einmal anzuschauen und dort etwas Praxiserfahrung zu sammeln. Wir sehen, dass innovative Geschäftsmodelle im Rechtsmarkt und allgemein auch die Digitalisierung in der Justiz zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das zeigen etwa die BGH-Entscheidung zu LexFox, der Wechsel von Marcus zu uns und andere Begebenheiten. Dieser Trend wird sich weiter verschärfen, gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise, die derzeit die Justiz in weiten Teilen lahmlegt. Geht man von den drei klassischen Betätigungsfeldern von Juristen aus, also im Staatsdienst, in Unternehmen oder als Rechtsanwalt, so wirken sich unternehmerische und technologische Aspekte auf all diese Bereiche aus. Legal Tech-Unternehmen bündeln diese Aspekte naturgemäß, sodass man hier einen sehr guten Ein- und Überblick bekommt.

Gerade am Beispiel RightNow kann man aber auch ganz klar festmachen, dass Legal Tech die klassischen juristischen Betätigungsfelder nicht verdrängen wird. Vielmehr wird man Technologie nutzen, um die klassische juristische Arbeit effizienter zu gestalten und sie zu unterstützen. In diesem Sinne liefern wir unseren Partnerkanzleien gebündelt zahlreiche Verbraucherrechtsfälle, an die sie vorher so gar nicht gekommen bzw. die für sie vorher auch gar nicht wirtschaftlich attraktiv gewesen wären. Hier arbeiten die klassischen juristischen Berufe und Legal Tech also Hand in Hand. Es wächst zusammen, was zusammengehört.

To be continued

Autor: Mike Fecke