von Mike Fecke
Verbrauchern automatisiert zu ihrem Recht zu verhelfen, ist ein Geschäftsmodell, welches immer wieder von Legal Tech Startups aufgegriffen wird und das für die Kunden insbesondere dann interessant wird, wenn ihnen ansonsten ein langwieriger und kostenintensiver Rechtsweg bevorstünde.
So ist es auch bei der Stornierung von Flugtickets, bei denen die Airlines, wenn überhaupt, nur Bruchteile des eigentlichen Ticketpreises zurückzahlen – die sog. „Billigairlines“ größtenteils gar nichts. Allerdings entspricht das nicht der geltenden Rechtslage, nach der die Airlines jedenfalls einen Teil des vom Kunden zuvor gezahlten Ticketpreises zurückzuerstatten haben, wenn der Fluggast sein Ticket storniert bzw. seinen Flug schlicht nicht antritt (sog. „No Show“).
Bis Anfang 2017 wurde dieser Missstand von den meisten Verbrauchern einfach hingenommen, da der Weg zum Anwalt oft als zu kostspielig und mühsam empfunden wurde, oder die Betroffenen gar nichts von ihrem Rückzahlungsanspruch wussten.
Diese Diskrepanz zwischen „Recht haben“ und „Recht bekommen“ bemerkten auch Phillip Eischet, Torben Antretter und Benedikt Quarch, die daraufhin 2017 das Startup „Geld-für-Flug“ gründeten.
Benedikt Quarch, einer der drei Gründer von „Geld-für-Flug“, ist Head of Legal des Unternehmens. Daneben promoviert er an der EBS Law School in Wiesbaden zu einem FinTech-Thema, nachdem er 2016 dort sein Jurastudium mit einer beeindruckenden Note von 15,6 Punkten in der ersten juristischen Staatsprüfung abgeschlossen hat. Daraufhin absolvierte Benedikt noch das bei der EBS an die erste juristische Prüfung anknüpfende Masterstudium in Business Studies, um sich auch mit den nötigen Kenntnissen der Betriebswirtschaftslehre auszustatten.
Im März 2017 gründeten er und seine beiden Mitstreiter dann „Geld-für-Flug“, Benedikts zweites Startup mit nur 23 Jahren.
Mike Fecke: Benedikt, Du hast mit 23 Dein zweites Unternehmen gegründet – wie kam es dazu, dass Du schon so früh und noch neben einem zeitintensiven (Jura-)Studium mit dem Gründen angefangen hast?
Schon als Schüler habe ich mit einigen Schulfreunden beim „Deutschen Gründerpreis für Schüler“ mitgemacht. Danach hat mich der Reiz daran, eigene Ideen umzusetzen und etwas aufzubauen, nicht mehr losgelassen. So haben mein Schulfreund Phillip Eischet und ich uns auch im Studium überlegt, dass wir mit „QE Innovative Consulting“, einer Beratungsfirma im Bereich Social-Media-Marketing für politische und staatliche Einrichtungen, einen nützlichen Dienst anbieten können.
Gerade bei unserem aktuellen gemeinsamen Projekt „Geld-für-Flug“ spielte aber für mich besonders der Gedanke eine Rolle, dass „Billigairlines“ ihre Kunden bei Ticketstornierungen einfach übervorteilen können, da der Weg der Rechtsdurchsetzung – wenn der Einzelne hier überhaupt merkt, dass er um sein Geld gebracht wird – kosten- und aufwandstechnisch nicht gangbar erscheint.
Da hat sich also nach einem langen Jurastudium, bei dem es größtenteils nur darum ging, wie die Rechtslage ist, gezeigt, dass in diesem Bereich massive Defizite in der Rechtsdurchsetzung bestehen und der „Stärkere“ buchstäblich mit dem „Schwächeren“ machen kann, was er will. Da ist unser Rechtsstaat einfach nicht effektiv genug und so dachten sich Phillip, Torben und ich, dass wir das doch selbst in die Hand nehmen könnten. Als Konsequenz waren wir dann wieder beim Gründen eines Unternehmens.
Dabei ist natürlich gutes Zeitmanagement eine wichtige Voraussetzung, wenn man das Unternehmen quasi „nebenberuflich“ aufbauen möchte. Aber auch das Geschäftsmodell von „Geld für Flug“ sowie insgesamt das Arbeiten als Unternehmer passen meiner Meinung nach sehr gut zum Jurastudium – insbesondere, wenn man nebenbei auch etwas über BWL lernt. Da hat mich die EBS schon sehr gut vorbereitet.
Mike Fecke: Welchen Tipp kannst Du anderen jungen Menschen geben, die eine Idee haben und noch beim Schritt ins Unternehmertum zögerlich sind?
Da gebe ich gerne die Weisheit unseres Mentors beim „Deutschen Gründerpreis für Schüler“ weiter: „Unternehmer sein heißt, dass man etwas unternehmen muss!“ Es geht meiner Ansicht nach darum, bei einer guten Idee einfach Schritt für Schritt mit der Umsetzung zu beginnen, auch wenn man noch nicht genau weiß, was letztlich dabei herauskommt. Dann kommt es darauf an, dass man die sich bietenden Chancen ergreift und seine ursprüngliche Idee so adaptiert, dass daraus ein erfolgreiches Unternehmen gedeihen kann.
Außerdem sind die Menschen entscheidend, mit denen man die Idee umsetzt. Ich arbeite immer mit meinen Freunden an solchen Projekten, und das macht einen beträchtlichen Teil des Erfolgs aus, weil wir uns gut verstehen und sich jeder voll reinkniet. Man sollte sich aber gesagt sein lassen: es dauert alles länger als man denkt und es ist im Zweifel etwas komplizierter.
Mike Fecke: Welcher Unternehmensphilosophie folgt ihr bei „Geld-für-Flug“?
Wir verstehen uns als Legal-Tech-Startup im Bereich der Rechtsdurchsetzung und als solches ist es unserer Meinung nach unsere Aufgabe, dem Einzelnen durch unser Angebot schneller, einfacher und kostengünstiger zu seinem Recht zu verhelfen, sodass er quasi „per Knopfdruck“ vom Sofa zu Hause zu seinem Recht kommt und eine Rückzahlung für seinen Flug erhält.
Damit tragen wir zu dem meiner Meinung nach sehr erstrebenswerten Ziel von „Legal Tech“ bei, nämlich durch die Mittel des technischen Fortschritts die Diskrepanz zwischen „Recht haben“ und „Recht bekommen“ letztlich gänzlich zu schließen, um so einen besseren oder jedenfalls moderneren Rechtsstaat zu schaffen. Das treibt uns an!
Mike Fecke: Könntest Du kurz beschreiben, welche Dienstleistungen „Geld-für-Flug“ anbietet und wie das Prozedere aussieht, wenn ich meine Ticketpreisrückzahlung über euch erhalten möchte?
Gern! Unsere Leistung besteht darin, dass wir Verbrauchern, die einen Flug storniert oder nicht angetreten haben, eine Entschädigungssumme auszahlen, welche ihnen von Gesetzes wegen zusteht.
Zum besseren Verständnis muss man sich den Preis eines Flugtickets genauer anschauen. Der eigentliche Ticketpreis hat nämlich – auch nach der EU-Verordnung 1008/2008 – drei Komponenten:
- den Netto-Flugpreis (der Betrag, den die Fluggesellschaft für die eigentliche Beförderung verlangt);
- Steuern und Gebühren, die die Airline pro Passagier verlangen und an den Staat weiterleiten muss, und
- personenbezogene Sonderkosten (etwa für Gepäck und Sitzplatzreservierungen).
Nach geltender Rechtslage müssen Airlines jedenfalls die beiden letzteren Komponenten bei Stornierungen oder einer „No Show“ zurückzahlen, da diese Kosten bei den Airlines gar nicht anfallen, wenn der Fluggast den Flug nicht antritt. Lediglich der Netto-Flugpreis, welcher etwa die Fixkosten enthält, die der Airline dennoch entstehen, darf von der Fluggesellschaft – so jedenfalls die aktuelle BGH-Rechtsprechung (Az. X ZR 25/17) – einbehalten werden. Der Clou dabei ist, dass der Steuer- und Gebührenanteil sowie der Anteil der personenbezogenen Sonderkosten bei Billigairlines den Großteil des Flugpreises ausmachen, womit an den Fluggast je nach Einzelfall bis zu 75 % des Ticketpreises zurückzuerstatten wären. Allerdings ist auch im Hinblick auf die Erstattung des Netto-Ticketpreises das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Freiwillig zahlen die Airlines den gesetzlichen Erstattungsbetrag in jedem Fall nicht aus. Will der Fluggast seinen Rückzahlungsanspruch durchsetzen, wird er vor Gericht gehen müssen. Dann trägt er aber das damit verbundene Kostenrisiko und muss viel Zeit und Aufwand investieren.
Dazu bieten wir eine Alternative: über www.geld-fuer-flug.de erhält man sein Geld ohne weitere Kosten und mit sehr wenig Aufwand binnen 24 Stunden aufs Konto!
Dafür muss man seinen Flug mit einem kurzen Formular auf unserer Seite einreichen (bis drei Jahre rückwirkend möglich), worauf dann unser Algorithmus mit Erfahrungswerten aus den bisher mehreren 10.000 Fällen, die wir schon bearbeitet haben, den Betrag ermittelt, den der jeweilige Kunde wahrscheinlich vor Gericht zugesprochen bekommen würde. Diesen Betrag bekommt der Kunde dann – mit einem entsprechenden Risikoabschlag – als unverbindliches Angebot von uns, für den wir ihm seinen Anspruch gegen die Airline abkaufen würden. Nimmt er es an, wird ihm der Betrag binnen 24 Stunden automatisiert auf sein Konto überwiesen. Damit trägt er kein Risiko mehr und muss sich nicht mehr mit dem Fall beschäftigen, denn wir machen nun seinen Anspruch gegenüber der Airline geltend. Das geschieht mittels unserer Partnerkanzleien im Rahmen eines sog. Pooling-Klageverfahrens (objektive Klagehäufung), wobei wir mehrere Fälle zusammenlegen und diese gebündelt vor Gericht verhandeln können. Das ist effizienter und dadurch sinken dann auch unsere Prozesskosten. Wird uns dann – wie in 97 % der Fälle bisher – vor Gericht der Betrag von der Airline zugesprochen, holen wir das Geld darüber wieder herein. Unabhängig von unserem Erfolg vor Gericht kann der Kunde sein Geld aber in jedem Fall behalten, denn wir übernehmen mit dem Ankauf des Anspruchs auch das Prozess(-kosten-)risiko.
Einen Gewinn machen wir dabei, wenn wir mehr einklagen, als wir zuvor gezahlt haben. Das sind meist geringfügige Abweichungen, aber in der Masse macht es schon einiges aus, insbesondere da wir aufgrund des hohen Automatisierungsgrades sehr schnell und effizient mehrere hundert Anträge pro Tag bearbeiten können.
Zusammengefasst helfen wir also dabei, das geltende Recht für den Verbraucher schnell und einfach – für ihn quasi „per Knopfdruck“ – durchzusetzen.
Mike Fecke: Mit eurem Unternehmen seid ihr nach kurzer Zeit schon sehr erfolgreich: ihr habt bereits mehrere 10.000 Fälle bearbeitet und in 97 % der Fälle auch Rückzahlungen durchgesetzt, euer Team zählt nach nur etwa einem Jahr schon zehn schlaue Köpfe, ihr habt gerade euer neues Büro in Düsseldorf bezogen und ein Funding von Venture-Capital-Investoren in Höhe von 25 Mio. Euro erhalten. Warum denkst Du, seid ihr so interessant für Kunden, neue Mitarbeiter und Investoren?
Für Verbraucher sind wir interessant, weil wir ihnen schnell und einfach helfen können. Die Nutzung unserer Plattform kostet nichts, wir übernehmen, das Risiko für die tatsächliche Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Airline und wir klären insbesondere viele Menschen überhaupt erst darüber auf, dass sie Rückzahlungsansprüche haben. Deshalb waren wir etwa bei Galileo und in zahlreichen Zeitungen. Außerdem dürfte interessant sein, dass wir ein Instant-Cash-Modell aufsetzen werden, dank dem unsere Kunden ihr Geld sofort nach Annahme unseres Angebots erhalten – also noch schneller als bisher!
Für Mitarbeiter macht uns attraktiv, dass wir ihnen viel Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten, ein freundschaftliches und dynamisches Team sowie wirklich spannende Aufgaben bieten können. Bei uns erwartet einen nämlich jeden Tag etwas Neues: Airline XY zahlt nicht auf ein rechtskräftiges Urteil und der Gerichtsvollzieher muss gegen sie vorgehen, neue rechtliche Fragestellungen tauchen auf, wir entwickeln Strategien, neue Marktmöglichkeiten erfolgreich zu nutzen, etc.
Zu unseren Investoren zählen außerdem sehr erfahrene Menschen wie beispielsweise Carsten Maschmeyer, die unser Unternehmen gezielt ausgewählt haben, um uns zu unterstützen. Gründe für diese Unterstützung sind etwa, dass wir ein dank hohem Automatisierungsgrad und einer großen Masse an Kunden sehr profitables, aber gleichzeitig auch gesellschaftlich relevantes Geschäftsmodell betreiben. Außerdem planen wir derzeit unser Factoring-basiertes Geschäftsmodell für Flugpreiserstattungen auf dem deutschen Markt in andere europäische Länder zu übertragen, wobei wir auch weitere Geschäftsbereiche in Betracht ziehen, in denen wir die Rechtsdurchsetzung verbessern können. Nicht zuletzt ist auch unser bisheriger Markt in Deutschland sehr groß und es gibt auch keine wirklichen Konkurrenzanbieter, sodass wir es mit unserem inzwischen sehr ausgereiften Fallbewertungs-Algorithmus und unserer Expertise mit jeder Airline auf diesem Markt aufnehmen können.
Mike Fecke: Ein Beispiel für einen Schock-Moment in eurer Unternehmensgeschichte dürfte die Air-Berlin-Insolvenz gewesen sein. Wie seid ihr damit umgegangen?
Das war wohl definitiv ein „schwarzer Tag“ für uns, aber natürlich insbesondere für die Air-Berlin-Mitarbeiter und die gesamte Flugindustrie in Deutschland, in der nun weniger Wettbewerb herrscht.
Außerdem hat die Insolvenz uns allen deutlich vor Augen geführt, wie viel Risiko Fluggäste in Deutschland tragen: da sie den Ticketpreis in der Regel schon Monate vor Flugbeginn vorauszahlen mussten, trugen die Kunden von Airberlin das Insolvenzrisiko, wobei es – anders als etwa im Pauschalreiserecht – hier keine Absicherung für die Verbraucher in Insolvenzfällen gibt. Das ist ein Paradigma für das Problem, welches auch die jüngste BGH-Rechtsprechung leider nur verstärkt: der Verbraucher trägt durch die Vorleistungspflicht das Risiko für Ereignisse in der Zukunft – auch etwa für Situationen, in denen er den Flug stornieren möchte. Wir appellieren daher an den Gesetzgeber und die europäische Justiz, diese Lücke im Verbraucherschutz zu schließen!
Mit „Geld-für-Flug“ hatten wir durch die Air-Berlin-Insolvenz natürlich auch einen gewissen Betrag abzuschreiben, da wir ja das Risiko für unsere Kunden mit dem Ankauf der Tickets übernehmen. Allerdings konnten wir die Einbuße durch eine vorausschauende Analyse begrenzen.
Mike Fecke: Und was sind Deine Pläne für die Zukunft? Willst Du Unternehmer in diesem Bereich bleiben oder schwebt Dir etwas anderes vor?
Erstmal werden wir bei „Geld-für-Flug“ weiter an der Optimierung unseres Angebots arbeiten und es auf andere Länder ausweiten – gegebenenfalls auch auf neue Bereiche, in denen wir die Rechtsdurchsetzung verbessern können. An Beschäftigung dürfte es mir also zunächst nicht mangeln.
Langfristig muss ich mich noch orientieren. Zunächst möchte ich meine Promotion abschließen und werde dann mal schauen, welchen Weg ich einschlage. Ein wichtiger Kompass ist für mich aber, dass ich – egal ob ich als Unternehmer, Anwalt, Richter oder etwa als Hochschullehrer arbeite – mich weiterhin für wertstiftende Projekte engagieren möchte. Wie das dann genau aussieht, wird man sehen.
Mike Fecke: Benedikt, danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast!