Am 26. und 27. Oktober 2018 fand der erste Hogan Lovells Legal Tech Hackathon in Kooperation mit dem Lehrstuhl von Prof. Dr. Podszun und vielen Jura-Studierenden der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf statt (#hllth18). Gearbeitet wurde auf der Plattform von Bryter. Nachfolgend berichtet Anja Pecher, Jura-Studentin im 6. Fachsemester, über ihre Erfahrungen:
Meine Anmeldung beim Hackathon erfolgte zufällig. Es gab mehrere technik- und wirtschaftsrecht-begeisterte Mitstudierende, für die ich dieses Event als super Chance sah, ihrem Können freien Lauf zu lassen. Ich selbst war sehr interessiert, traute mir eine eigene Teilnahme aber eher weniger zu. Mein technisches Können im Bereich Software-Entwicklung schätzte ich auf Null und meine Berührungen mit dem Wirtschaftsrecht im Grundstudium waren auch eher punktuell. So fragte ich nach, ob nicht noch „Hilfe“ bei der Organisation oder Ähnliches benötigt wird. Mein Lehrstuhl-Kollege empörte sich, dass ich mir eine eigene Teilnahme nicht zutraute. Er erklärte, die Veranstaltung sei gerade dazu da, etwas zu lernen, über seinen juristischen Tellerrand hinauszublicken und weder Programmier- oder Softwarekenntnisse noch ein wirtschaftsrechtlicher Studienschwerpunkt seien nötig oder würden gar vorausgesetzt. Die Bryter-Software, die uns für die Entwicklung zur Verfügung gestellt werden sollte, solle wohl auch ohne besondere technische Kenntnisse bedienbar sein. So fasste ich den Entschluss, mich ebenfalls anzumelden und wartete halb gespannt, halb skeptisch auf das letzte Oktoberwochenende.
Einige Tage zuvor erhielten alle Teilnehmenden bereits zahlreiche Infos von Nico Kuhlmann (Hogan Lovells) und Michael Grupp (Bryter), die mich zugegebenermaßen eher verwirrten. Übernachtung mit Isomatte in den Kanzleiräumen? Ein Vorbereitungscall, bei dem mich das Einwählen von meinem heimischen Laptop schon an meinen Technik-Kenntnissen zweifeln ließ? Lauter English-Terms, mit denen Michael und Nico im Zuge dieses Calls ganz casual um sich warfen? Mich sollte ein Blick in die Praxis einer internationalen Großkanzlei erwarten, die sich vom traditionellen und vor allem examensorientierten Uni-Lernalltag schon gravierend unterschied.
Am Freitag, den 26. Oktober, ging es früh los und hoch hinaus: Ab 9 Uhr im Skyoffice auf der 22. Etage mit einmaligem Ausblick über die Düsseldorfer Skyline! Nach einer Einführung in die Tätigkeit von Hogan Lovells, das Thema Legal Tech und einem ersten Eindruck, was uns in den nächsten Stunden erwarten wurde, stieg die Spannung, welche Themen zur Auswahl stehen. Es folgte ein Pitch der zur Bearbeitung stehenden Themen durch die Anwälte von Hogan Lovells mit kurzem Ausblick auf die mögliche technische Umsetzung. Bei einem von Nico vorgestellten Thema wurde ich direkt hellhörig. Kennzeichnungspflicht von Social Influencern – Da gab es doch kürzlich ein Urteil zu? Von dem Rechtsstreit hatte ich doch bereits auf einem Blog gelesen und die ein oder andere Diskussion in den sozialen Medien mitbekommen? Die Themen waren tatsächlich so bunt gestreut, dass für jeden juristischen Geschmack etwas dabei war. Die Team-Zuweisung nach Wahlthemen verlief super und meine vorherigen Befürchtungen verflogen beim Lunch, währenddessen ich mich mit Lisa und Lea, meinen Team-Kolleginnen bekannt machte und erstmalig austauschte.
Nach dem Mittagessen ging es direkt teamweise in die Konferenzräume zu einem ersten Brainstorming. Die Mission hatten wir vor Augen: Eine App für Influencer und Unternehmen entwickeln, die umfassende Informationen über die Kennzeichnungspflicht ihrer (Werbe-) Beiträge verschafft und idealerweise Muster hierfür direkt zur Verfügung stellt. So weit so gut – doch wie die tatsächliche Umsetzung aussehen sollte, war nicht nur mir, sondern unserem gesamten Team, noch unklar.
Dies sollte sich aber schnell ändern, denn nach dem ersten Brainstorming in den Teams ging es erneut hoch in den großen Konferenzraum, wo Michael von Bryter uns im Plenum eine Einführung in das Programm gab. Er betonte den Fokus auf die Benutzerfreundlichkeit des Programms, und in der Tat fällt sofort der moderne Aufbau und die einfache Bedienbarkeit auf.
Mir kam der Vortrag vom Vormittag, in welchem es hieß, die eigentliche Challenge sei es, juristische Wertungen in Fakten zu ‚übersetzen‘ wieder in den Sinn. Mithilfe des Bauens eigener Logiken im Programm sollte dies nun erfolgen. Kleiner Spoiler: Die praktische Umsetzung dessen ist nochmal kniffliger als es ohnehin theoretisch schon scheint. ‚Hacken‘ ist hierbei wirklich erforderlich: Immer den Endnutzer der zu entwickelnden Software im Visier müssen geschickt die richtigen Fragen ermittelt wären, deren Beantwortung eine automatisierte juristische Sachverhaltswürdigung zulässt.
Nach kleiner Stärkung an der absolut „instagramable“ Candybar (#foodporn) ging es zurück in die Teams und wir starteten erste Versuche mit dem Bauen von Logiken in unserem Bryter-Modul. Für das Programm hatten wir alle einen eigenen Zugang erhalten und sowohl Nico als auch die Bryter-Jungs zogen durch die Team-Räume und standen bei Fragen zur Technik unterstützend zur Seite. Die hervorragende technische Ausstattung der Kanzlei erlaubte ein Übertragen des Monitors auf den großen Fernseher und damit gemeinsames Mitverfolgen des Arbeitsvorgangs im Bryter-Modul. Verschiedene Entscheidungsäste wurden diskutiert, Formulierungen überdacht und benutzergerecht angepasst.
Natürlich gab es auch unzählige lustige Momente zwischendurch in unserer Gruppe, Studierende mit Professor und Anwälten. Ob Gespräche über die Trends im Social Media-Bereich, Evaluation diesbezüglicher Rechtsprechung, Vergleich des persönlichen Instagram-Accounts mit eben den von großen Bloggern wie „Bibi“ oder auch Filmen kurzer szenischer Sequenzen mit dem Kamera-Team und dem Erstellen von „Boomerangs“ mit Energy-Drinks weit nach regulären Arbeitszeiten. Der Teamgeist, der sich entwickelte, war faszinierend, die Arbeitsteilung funktionierte super und alle sprachen auf Augenhöhe, egal ob bereits promoviert, habilitiert oder noch vor dem Schwerpunktstudium. Jeder kannte sich mit irgendeiner Komponente am besten aus und von allen Seiten kam verschiedenster Input.
Der Arbeitseifer packte uns und wir tüftelten bis spät in die Nacht. Der kurze Blick in die Lounge, wo der „Mitternachtssnack“ aufgebaut war, zeigte, auch einigen anderen Teams ging es so. Man tauschte sich über die verschiedenen Ansätze aus und trotz des Wettbewerb-Gedankens motivierte man sich natürlich auch gegenseitig zwischen den Gruppen, da einen die gemeinsame Mission verband, eine vorzeigbare Software zu entwickeln um jedem am nächsten Tag eine Präsentation mit Live-Demo zu ermöglichen.
Nach knapp 3 Stunden „Power Nap“ ging es am frühen Samstagmorgen, den 27. Oktober, zu Kaffee, O-Saft und liebevoll zubereiteten Frühstück mit dem nächsten Vortrag weiter. Dieser war wiederum so anschaulich und sprachlich ansprechend gestaltet, dass man direkt wach wurde und interessiert folgen konnte. Der Kopf war definitiv etwas schwerer als noch am Tag zuvor, aber das Ziel vor Augen – die Abschlusspräsentation – ließ einen die Müdigkeit vergessen. Den Feinschliff unserer Software hatten wir schon in der Nacht zuvor fertiggestellt: So konnten wir uns am nächsten Tag ausschließlich auf die Vorbereitung unserer Präsentation konzentrieren. Zu Recht wohl, wie die Fachjury schlussendlich lobte: Wir planten und entwickelten ein szenisches Rollenspiel, um die User-Experience unserer Zielgruppe des Influencers, klassischerweise also juristischen Laien, zu veranschaulichen: Zwei Influencer (dargestellt von Lisa und mir) posten ein Bild über Instagram mit eindeutiger Überladung des Logos von Hogan Lovells. „Müssen wir da jetzt irgendwie #ad setzen?“ Lea weiß, wie wir das herausfinden können: Mit der InfLAWencer-App, die sie uns in einer Live-Demo vorstellt und an unserem konkreten Bildbeispiel überprüft, wie es mit der Kennzeichnungspflicht aussieht. Ergänzende Hinweise ermöglichen auch dem juristisch und technisch unerfahrenen Social-Media-Nutzer einen Zugang und korrekte Beantwortung der relevanten Fragen in der App. Das Ergebnis enthält einen umfassenden Guide, welche Kennzeichnungspflichten sich im Einzelnen gerade für den konkreten Social-Media-Post ergeben. Hierbei werden besondere Produktkategorien, Zielgruppen (Stichwort Jugendschutz), die AGB der jeweiligen Plattformbetreiber, bisherige Richtwerte der Rechtsprechung, und viel Weiteres mitberücksichtigt. Bei den ergänzenden Fragen der Fachjury wechselten wir jedoch von der Rolle als Nutzer wieder in die des Entwicklers und zeigten unsere Hintergedanken und Überzeugung von „unserem Produkt“, denn das war es schlussendlich, eine funktionierende, einsatzbereite Software. Entwickelt in nur einer Nacht.
Auch die Präsentationen der anderen Teams waren ein voller Erfolg und zeigten aufgrund der Themenvielfalt ganz andere Denkansätze und Problemlösungen: Gezeigt wurde ein praktisches Tool für Messebesucher, die möglichst schnell eine Markenrechtsverletzung per App an die Kanzlei übermitteln möchten, sowie eine Kommunikationssoftware für Arbeitsrechtler und Arbeitgeber zur Prüfung von Kündigungsmöglichkeiten. Ein Team präsentierte ein anhand aufwändiger Formelrechnungen nutzergerecht heruntergebrochenes Tool zur Bestimmung von datenschutzrechtlichen Meldepflichten im Falle eines erfolgten Hacker-Angriffs auf geschützte Userdaten, ein anderes zeigte seine Prüfungssoftware für internationale Investoren hinsichtlich etwaiger Voraussetzungen in den Zielländern und mit Weiterleitung zu konkreten Ansprechpartnern bei Hogan Lovells am jeweiligen Standort. Außerdem wurde eine App präsentiert, die es Gründern ermöglicht, die passende Rechtsform für ihr künftiges Unternehmen zu wählen und In-App die Formulare fertigzustellen, um sie direkt an den passenden Partner bei Hogan Lovells weiterzuleiten.
Auch mit Fehlschlägen, die bei begrenzter Zeit und begrenzten technischen Fähigkeiten nicht ausbleiben, wurde offen umgegangen: Auch die anderen Teams hatten Problempunkte an denen sich entweder die gewünschte technische Umsetzung nicht verwirklichen ließ oder das Herunterbrechen juristischer Wertungen in Logiken für den Automatisierungsprozess Probleme bereitete. Es wurde improvisiert, der Anwendungsbereich der Software verschmälert, die konkrete Aufgabenstellung nachträglich umsetzungsfähig abgeändert, eben „gehackt“. Ergebnis waren sechs fertige Apps, kein Team hat vorzeitig aufgegeben, sodass alle stolz präsentieren konnten!
Bei der Siegerehrung herrschte tosender Applaus, für die Sieger, aber auch für alle anderen Teilnehmer, denn alle hatten die Challenge, eine vorzeigbare, funktionierende App in den letzten Stunden zu entwickeln, gemeistert!
Neben dem großzügigen Preisgeld für die Siegerteams gab es prall gefüllte Goodie-Bags samt Veranstaltungsgutschein für alle Teams, um alleine oder gemeinsam als Team den Erfolg zu feiern. Neue Kontakte zwischen Studierenden und Anwälten wurden während des Wochenendes natürlich auch geknüpft.
Gelernt habe ich neben dem Umgang mit der Bryter-Software, dem Einblick in die verschiedenen Tätigkeitsfelder und den Arbeitsalltag von Hogan Lovells, wie wichtig und motivierend es ist, neben dem staatlichen Pflichtfachstoff auch einmal den Blick aus der Uni-Bib heraus in die Praxis zu wagen. Die ganzen Vorträge haben einen umfassenden Einblick in den immer relevanter werdenden Bereich des Legal Tech vermittelt. Außerdem war es spannend, die Juristerei mal von außen zu betrachten und die eigentlich relevante „menschliche“ Leistung dahinter zu begreifen.
Beim Cocktail-Empfang am Samstag-Abend herrschte eine ausgelassene Stimmung. Trotz kurzer Nacht hörte ich nur begeisterte Stimmen zu diesem gelungenen Event, das hoffentlich nicht das Letzte seiner Art bleibt!