von Daniel Biene & Uwe Schuricht *
Weltweit ist die digitale Innovation des Rechtsmarktes in aller Munde. Nahezu alle Kanzleien und Rechtsabteilungen befassen sich aktiv mit dem Thema. Trotz alledem sind im deutschen Markt bisher keine wirtschaftlich messbaren Ergebnisse der Diskussion entstanden. Der akademische Diskurs hat seinen Weg in die Praxis noch nicht gefunden. Das gilt insbesondere für Kanzleien. Basierend auf unserer langjährigen Arbeit in Digitalisierungsprojekten haben wir die fünf entscheidenden Schlüssel für die erfolgreiche Positionierung von Kanzleien in der digitalen Transformation zusammengestellt. (Fortsetzung von Teil 1, 2 + 3)
#4 — Agil vorgehen statt strategischen Konsens suchen
In den meisten Kanzleien gestaltet sich die Erarbeitung einer Strategie für den Umgang mit der Digitalisierung ausgesprochen schwierig. Der Grund dafür liegt in der Kombination der vorgenannten Punkte mit der Struktur einer gleichberechtigten Partnerschaft ohne starkes Management. Im Ergebnis ist nur schwer ein Konsens mit klarem Handlungsauftrag zu erzielen.
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur in der Breite der Organisation, sondern auch bei Seniorpartnern die Grundsätze agilen Managements meist unbekannt sind. Stattdessen wird in längerfristigen Plänen und Projekten gedacht (“Wasserfall-Methodik”). Das führt angesichts der drohenden Kosten und Risiken zu einer Lähmung, die an die Situation des Kaninchens vor der Schlange erinnert. Nicht zuletzt das fortgerückte Lebensalter und die gute wirtschaftliche Situation vieler Partner erzeugt eine zwar interessierte, aber letztlich passive Grundhaltung. Warum mit den Partnern streiten und Risiken eingehen, wenn die lukrative Pensionierung sicher ist? Bisweilen platzieren in dieser Situation einzelne Partner ihre Ideen und blockieren damit echte Innovation. Denn zumeist handelt es sich um persönliche “Steckenpferd-Projekte”, denen jede fachliche Grundlage zeitgemäßer, ergebnisorientierter und kosteneffizienter Digitalprojekte fehlt.
Kurz gesagt: Die Demokratie einer Partnerschaft hat viele Vorteile, aber in einer Umbruchssituation wie der Digitalisierung steht sie dem langfristigen Überleben der Kanzlei im Weg.
Auch hier liegt der Erfolg näher, als häufig befürchtet wird. Denn das für die Digitalindustrie typische agile Management kennt keine Langfriststrategie, an deren Umsetzung jahrelang gearbeitet wird. Erforderlich ist eine Vision und eine Hypothese, die laufend überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben wird. Es wird für kleines Geld in kleinen Schritten gearbeitet, statt unüberschaubar viel Geld und Zeit zu investieren. Es ist also keine langfristige bindende Strategie erforderlich, an der Gedeih und Verderb der Kanzlei festzumachen wäre. Erforderlich ist lediglich eine erste Zielvision und eine fachgerechte, nachhaltige und den Best Practices des Digitalgeschäfts wirklich entsprechende Umsetzung.
In einer Reihe von Kanzleien werden schon heute erfolgversprechende Projekte nicht auf der Basis großer Strategieentscheidungen realisiert, sondern durch pragmatische Umsetzung von Hypothesen, die mit agilen Methoden ständig hinterfragt und verbessert werden. Die Einstiegshürden und die Risiken sind bei einer solchen Herangehensweise deutlich niedriger. Meist werden diese Projekte nicht von einem “großen” Konsens der gesamten Partnerschaft getragen, sondern von einzelnen
Partnern und Associates, die sich Themen zu eigen gemacht haben und diese aktiv treiben. Durch die iterative Vorgehensweise wird nichts präkludiert und niemand übergangen.
Schlüssel zum Erfolg ist also, sich nicht vor den internen politischen Herausforderungen einer Langfriststrategie zu fürchten, sondern mit einer agilen Vision einfach loszulegen. Bei wirklich fachgerechter Umsetzung der im Digitalbereich üblichen Arbeitsweisen (vgl. “Skill Diversity”) werden dadurch keine Unstimmigkeiten in der Partnerschaft entstehen.
Schlüssel #4: Ersetzen Sie langwierige und mühsame Strategieprozesse in Partnermeetings durch professionell gemanagte agile Zielsetzungen. Stellen Sie dabei die Bedürfnisse des Marktes konsequent in den Vordergrund.
– Dieser Beitrag erscheint in insgesamt fünf Teilen. Der Teile fünf erscheint in der kommenden Woche ebenfalls im Legal Tech Blog. –
Lesen Sie auch:
Die fünf Schlüssel zum Transformationserfolg für Kanzleien – Teil 1
Die fünf Schlüssel zum Transformationserfolg für Kanzleien – Teil 2
Die fünf Schlüssel zum Transformationserfolg für Kanzleien – Teil 3
* Dr. Daniel Biene und Dr. Uwe Schuricht sind Partner der Change Group in Berlin (www.change-group.net).