Prime Legal: Klon-Armee der Superanwälte? – Interview mit Michael Friedmann

von Nico Kuhlmann

Die Digitalisierung wird zwangsläufig Veränderungen mit sich bringen, die wir nicht unterschätzen sollten. Die Frage ist lediglich, wer diesbezüglich eine gestaltende Rolle übernehmen wird und wer nicht.

RA Michael Friedmann ist ein deutscher Legal Tech-Pionier und gestaltet die Digitalisierung des Rechtsmarkt seit der ersten Stunde an aktiv mit. Er ist einer der Gründer von QNC GmbH. Sein Unternehmen betreibt seit 2000 die Webseite 123recht.net und seit 2004 den Dienst Frag-einen-Anwalt.de. Dieses Jahr hat er nun die Prime Rechtsanwalts GmbH gelauncht.

Nico Kuhlmann: Lieber Micha, auf dem Anwaltszukunftskongress in Düsseldorf hast Du Prime Legal vorgestellt. Worum handelt es sich bei diesem Projekt?

Michael Friedmann: Prime Legal ist die digital unterstützte Rechtsberatung. Sozusagen eine Klon-Armee der Superanwälte.

Nico Kuhlmann: Wie genau sieht Euer Geschäftsmodell aus? Wie rechnet Ihr Eure Dienstleistungen ab?

Michael Friedmann: Aktuell richtet sich Prime Legal an Geschäftskunden, etwa kleinere und mittlere Unternehmen, Onlineshops oder Freiberufler. Für eine monatliche Flatrate von 80 Euro bieten wir unbegrenzten Rechtsrat. Möglich wird dies nur mit einer Kombination aus künstlicher Intelligenz und Big Data.

Nico Kuhlmann: Welche Rolle spielen Künstliche Intelligenz (AI) sowie Big Data genau bei Euch und was verstehst Du unter diesen Konzepten?

Michael Friedmann: Es liegt auf der Hand, dass man bei einem Preis von 80 Euro entweder die Anfragen begrenzen muss oder die Bearbeitungszeit verkürzen muss. Da für uns eine Begrenzung der Flatrate nicht in Frage kam, haben wir überlegt, wie wir die Rechtsanwälte bei der Beantwortung der Fragen technisch unterstützen können. Sehr schnell haben wir gelernt, wie wertvoll AI, Big Data und Machine Learning in diesem Zusammenhang sein kann. Es geht nicht darum, den Anwalt vollständig zu ersetzen. Wir wollen ihn mit der Technologie besser und schneller machen.

Nico Kuhlmann: Woher habt Ihr die Daten, die notwendig sind, um das Programm anzulernen, und wie aufwendig war es, diese aufzubereiten?

Michael Friedmann: Derzeit benutzen wir nur unsere eigenen Daten von 123recht.net und frag-einen-anwalt.de. Seit dem Jahr 2000 (123recht.net) bzw. 2004 (FEA) wurden auf unseren Plattformen über 180.000 rechtliche Fragen beantwortet und mehr als 12.700 Ratgeberartikel veröffentlicht.

Diese Daten für Watson aufzubereiten ist eine große Herausforderung. So bestehen viele Fragen bei uns nicht nur aus einer Frage, sondern vielfach aus mehreren. Wir müssen Watson die Systematik beibringen, die verschiedenen Fragen zu erkennen und die dazugehörigen Antworten zu erkennen.

Nico Kuhlmann: Ihr arbeitet mit IBM Watson zusammen. Wie kam die Kooperation zustande und welche Hürden musstet Ihr nehmen?

Michael Friedmann: Ich habe vor einiger Zeit Dr. Stefan Mück, dem CTO Cognitive Solutions von IBM Deutschland, kennen gelernt. Wir haben uns über unseren Datenbestand unterhalten und wie perfekt dieser für Watson sein würde. Wir haben vereinbart, dass wir mit einem Projekt starten, sobald Watson auf Deutsch lokalisiert ist. Stefan und IBM sind wirklich eine große Unterstützung für uns. Ich kann nur jedem raten, der eine gute Idee hat, auf IBM zuzugehen.

Nico Kuhlmann: IBM Watson kooperiert in den USA bereits mit mehreren anderen rechtlichen Dienstleistern. Profitiert Ihr davon oder musstet Ihr für den deutschen Markt in jeder Hinsicht bei Null anfangen?

Michael Friedmann: Nein, da profitieren wir überhaupt nicht von. Es gibt keine gemeinsamen Daten. Watson bietet jedem Kunden ein Toolset, welches man für seine Bedürfnisse anpasst und mit seinen eigenen Daten füttert. Dies ist die Leistung und das geistige Eigentum eines jeden Kunden. Auch unsere Arbeit wird nicht frei über Watson verfügbar sein, sondern muss über uns lizenziert werden.

Nico Kuhlmann: Wo steht ihr gerade in der Aufbauphase von Prime Legal und wann plant Ihr voll einsatzbereit zu sein?

Michael Friedmann: Wir stehen zurzeit bei Schritt zwei von vier. Das bedeutet, dass wir mit dem Live-Betrieb und dem Training von Watson durch Rechtsanwälte angefangen haben. Ich rechne damit, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2018 soweit sind, dass Watson immer brauchbare Ergebnisse liefert und wir die AI unterstütze Rechtsberatung an alle Anwälte in Deutschland ausrollen können.

Nico Kuhlmann: Welche Probleme siehst Du noch auf Euch zukommen? Gibt es neben den technologischen Herausforderungen auch rechtliche Hürden?

Michael Friedmann: Zurzeit beschäftigen wir uns nur mit den technologischen und inhaltlichen Hürden. Rechtliche Bedenken würden uns in diesem Stadium nur zu sehr von der eigentlichen Entwicklung ablenken. Wenn in Zukunft irgendjemand rechtliche Probleme sieht, werden wir diese lösen. So wie wir es auch immer mit 123recht.net und frag-einen-anwalt.de gelöst haben.

Nico Kuhlmann: Wie wird die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine mittelfristig bei Prime Legal aussehen? Wer soll welchen Job übernehmen?

Michael Friedmann: Langfristig sehe ich den Menschen als Interface für die Kommunikation. Die eigentliche Arbeit wird die Maschine erledigen. Der Mensch ist der vertrauensbildende Faktor in dieser Gleichung. Auch in 10 Jahren werden die meisten Mandanten sich lieber mit einem echten Menschen, als mit einer Maschine unterhalten. Wer dann die Arbeit macht, ist dem Mandanten egal. Hauptsache er konnte seine Sorgen mit einem Menschen besprechen, der ihm die notwendige Empathie entgegengebracht hat.

Nico Kuhlmann: Deine Präsentation wurde vor Ort und im Internet angeregt diskutiert und unter anderem ist das Wort “Quantensprung” gefallen. War Dein Vortrag eher eine Liebeserklärung an die Digitalisierung der Rechtsbranche oder eine Kriegserklärung an die analoge Anwaltschaft?

Michael Friedmann: Auf jeden Fall eine Liebeserklärung an die Digitalisierung der Rechtsbranche und ein Händereichen an die analoge Anwaltschaft. Die Digitalisierung wird Veränderungen mit sich bringen, die wir nicht einschätzen können. Der Zeitpunkt der Singularität ist nicht mehr weit entfernt, und mein Traum ist es, dass meine Kollegen und ich eine gestaltende Rolle dabei übernehmen. Fest steht für mich, dass die Rechtsberatung vor dem größten Umbruch steht.

Nico Kuhlmann: Lieber Micha, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg für Deine Projekte.